Cold in July

Die Sorge, dass „Dexter“-Star Michael C. Hall nach dem Finale der kultverdächtigen Showtime-Serie für längere Zeit von der Leinwand verschwinden könnte, erweist sich zunächst glücklicherweise als unbegründet. In Jim Mickles außergewöhnlichen Thriller „Cold in July“ demonstriert er zudem seine Wandlungsfähigkeit. Nachdem er in „Six Feet Under“ (2001-2005) als schwuler Bestattungsunternehmer bekannt geworden war und in „Dexter“ (2006-2013) als Serienkiller mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn berühmt wurde, überzeugt er in der Adaption des Thrillers von Joe R. Lansdale („Bubba Ho-tep“) als fürsorglicher Familienvater, der einem Komplott auf die Spurt kommt.
Als der Bilderrahmenverkäufer Richard Dane (Michael C. Hall) und seine Frau Ann (Vinessa Shaw) eines Nachts anno 1989 in ihrem Haus in Texas aus dem Schlaf hochschrecken, nimmt Richard mit zittrigen Händen die Waffe seines Vaters und geht barfuß den Geräuschen im Haus nach. Im Wohnzimmer überrascht er einen Einbrecher und gibt nahezu versehentlich einen Schuss ab, der allerdings ins Schwarze trifft. Der Eindringling wird als gesuchter Verbrecher von der Polizei identifiziert, Richard muss nur seine Aussage zu Protokoll geben, aber mit keinem Verfahren rechnen. Doch seine Schuldgefühle führen ihn zum Begräbnis des durch seine Hand getöteten Kriminellen, wo er mit Ben Russell (Sam Shepard) dem Vater des Verstorbenen begegnet. Wie Richard und seine Familie schnell begreifen, sinnt Russel offensichtlich nach alttestamentarischer Rache. Trotz Polizeischutz dringt der frisch aus dem Gefängnis Entlassene in das Haus der Danes ein und bringt die Polizei dazu, dass er zur Fahndung ausgeschrieben wird. Auf dem Polizeipräsidium entdeckt Richard aber zufällig ein Fahndungsplakat von Russells Sohn, der auf dem Foto ganz anders aussieht, als Richard ihn aus der Tatnacht in Erinnerung hat. Zusammen mit Ben und dem Privatdetektiv Jim Bob Luke (Don Johnson) versucht Richard herauszufinden, was die Polizei mit ihrem Manöver zu vertuschen versucht …
Der bereits mit sieben Bram-Stoker-Awards ausgezeichnete US-amerikanische Schriftsteller Joe R. Lansdale zählt fraglos zu den besten Vertretern im Bereich der Krimi- und Horror-Literatur, so dass es nur eine Frage der Zeit gewesen ist, bis Hollywood auf seine Stoffe aufmerksam wird. Nachdem er bereits einzelne Folgen für die Fernsehserien „Batman“, „Superman“, „Batman und Robin“ sowie „Masters of Horror“ geschrieben hatte, lieferte er nun die Vorlage für „Cold in July“, die Jim Mickle („We Are What We Are“) als wendungsreichen Thriller der Extraklasse umgesetzt hat.
Ohne Einführung konfrontiert Mickle die Zuschauer in der Adrenalin-geschwängerten Eröffnungssequenz mit einem Einbruch und seinen mehr als nur tödlichen Folgen. Denn was zunächst nach polizeilicher Routinearbeit und dem Vermerk „Notwehr“ in dem Protokoll zum Fall aussieht, auf die die Schließung der Akte folgt, entwickelt sich erst zu einem packenden Home-Invasion-Thriller, in dem Sam Shepard als rachsüchtiger Vater die Polizei an der Nase herumführt, dann aber zu einem Psychothriller, bei dem drei Männer auf der Suche nach der Wahrheit keine Gefangenen nehmen.
Michael C. Hall, Sam Shepard („Mud – Kein Ausweg“, „Auge um Auge – Out of the Furnace“) und „Miami Vice“-Star Don Johnson als cooler Privatschnüffler bilden ein ebenso unterschiedliches wie perfekt miteinander harmonierendes Gespann, das dem Film seinen höchst unterhaltsamen Charakter verleiht. Eine schnörkellose Inszenierung, der es gelingt, geschickt den Fokus der Erzählung zu verlagern und in einen Tarantino-würdigen Showdown mündet, macht „Cold in July“ zu einem rundherum sehenswerten und außergewöhnlichen Thriller, der Hoffnung macht auf weitere Verfilmungen von Lansdale-Stoffen.
"Cold in July" in der IMDb

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