Freeheld - Jede Liebe ist gleich

Mit seinem Oscar-nominierten Drehbuch zu Jonathan Demmes AIDS-Justiz-Drama „Philadelphia“ (1993) hat der amerikanische Autor und Produzent Ron Nyswaner bereits ein außergewöhnliches Gespür für Geschichten über Diskriminierung und tödliche Krankheiten bewiesen. Ein knappes Vierteljahrhundert später ist dieses Thema nach wie vor aktuell, wie seine Spielfilm-Adaption der Oscar-prämierten Dokumentation „Freeheld“ (2007) von Cynthia Wade zeigt. Allerdings drückt die von Peter Sollett inszenierte Spielfilm-Variante eher auf die Tränendrüse, als dass die thematische Vielschichtigkeit der Geschichte erschöpfend ausgelotet wird.
Ihre homosexuellen Neigungen hat die ambitionierte wie gewissenhafte Polizistin Laurel Hesters (Julianne Moore) auch vor ihrem Partner Dane Wells (Michael Shannon) stets geheim gehalten, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Als sie die viel jüngere Automechanikerin Stacie Andree (Ellen Page) kennenlernt, kaufen sie sich ein Haus und lassen – da sie nicht in New Jersey Anfang der 2000er Jahre nicht heiraten können - ihre Lebensgemeinschaft eintragen.
Ein Jahr später erhält Laurel allerdings die erschütternde Diagnose, Lungenkrebs im Endstadium zu haben. Ihr Antrag, dass ihre Pensionsansprüche nach ihrem Tod auf Stacie übergehen, wird von dem fünfköpfigen Gemeinderat zunächst einstimmig abgelehnt. Doch ausgerechnet Laurels ehemaliger Kollege Dane Wells, der sich von Laurels Coming Out zunächst vor den Kopf gestoßen fühlte, setzt sich dafür ein, dass Stacie die gleichen Rechte zugesprochen bekommt wie verheiratete Partner.
Als die öffentlichen Anhörungen das Interesse der Medien wecken, sieht der Aktivist Steven Goldstein (Steve Carell) die große Chance, mit Laurels Fall einen großen Schritt in Richtung Gleichbehandlung unternehmen zu können …
Nach seinem Erfolg mit „Philadelphia“ ist Ron Nyswaner nur noch selten erfolgreich in Erscheinung getreten. Er schrieb das Drehbuch zu John Currans Adaption von W. Somerset Maughams „Der bunte Schleier“ (2003) und zu einigen Folgen von „Ray Donovan“ und „Homeland“.
Das Kino-Comeback mit „Freeheld“ fällt nun längst nicht so spektakulär aus wie bei „Philadelphia“, dazu bewegt sich der Kampf der tödlich erkrankten Laurel Hesters und ihrer Kollegen gegen die homophoben Gemeindevorstände auf allzu vertrautem Terrain.
Im Gegensatz zu den leisen, flehenden Bitten der zunehmend durch die aggressive Chemo-Therapie gezeichneten Todgeweihten schlägt der schwule jüdische Aktivist Goldstein mit seiner Truppe lautere Töne an, doch dazwischen fehlt es leider an den feinen Zwischentönen, die das Drama zu einem bewegenden und mitreißenden Film machen würden. Stattdessen bewegt sich „Freeheld“ auf allzu vorhersehbaren Bahnen. Zunächst schlägt sich nur Laurels Ex-Kollege auf ihre Seite, dann auch der liberale Gemeindevorstand Bryan Kelder (Josh Charles), bis die starrköpfigen Gleichberechtigungsverweigerer sowohl in der Polizeidienststelle als auch bei den Gemeinderepräsentanten wie die Dominosteine umfallen.
Bis dahin liegt der Schwerpunkt des Dramas vor allem auf Laurels schmerzlichen Dahinsiechen und der Liebe zwischen ihr und Stacie. Es ist vor allem dem starken Ensemble zu verdanken, dass „Freeheld“ nicht zu einem tränenrührenden Kitsch-Drama versinkt. Vor allem Julianne Moore, die bereits mit ihrer Oscar-prämierten Darstellung einer Alzheimer-Kranken in „Still Alice“ bewiesen hat, wie eindrucksvoll sie Frauen auf einem vorgezeichneten Weg des Leidens verkörpern kann, überzeugt in der tapfer für ihre Liebe kämpfenden Polizistin, aber auch Ellen Page („Juno“, „Inception“) macht als taffe Automechanikerin an ihrer Seite eine tolle Figur.
Steve Carell, der schon in „Big Short“ die kämpferischen Fähigkeiten seiner Figur brillant verkörperte, sorgt in „Freeheld“ für die lautstarken Akzente, während Michael Shannon („Take Shelter“, „Boardwalk Empire“) auf der männlichen Seite für ambivalente menschliche Regungen verantwortlich zeichnen darf. So überzeugt „Freeheld“ zumindest als großes Schauspiel-Kino, das die dramatischen Elemente der Geschichte aber nur oberflächlich anreißt.
"Freeheld" in der IMDb

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