Maria Magdalena

Seit 1897 die Brüder Basile und dann die Brüder Lumière sich der Passion Christi annahmen, sind unzählige Filme mit Bezug auf die Bibel realisiert worden, von Cecil B. DeMilles „Die Zehn Gebote“ (1923 und 1956) und der Zusammenarbeit von Robert Aldrich und Sergio Leone an „Sodom und Gomorrha“ (1962) über John Hustons „Die Bibel“ (1966) und Roberto Rossellinis „Die Geschichte der Apostel“ (1969) bis zu Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) und Mel Gibsons „Die Passion Christi“ (2004). In den vergangenen Jahren haben Filmemacher wie Darren Aronofsky mit „Noah“ und Ridley Scott mit „Exodus: Götter und Könige“ (beide 2014) bildgewaltige Bibelgeschichten inszeniert, denen Garth Davis („Lion“) nun mit „Maria Magdalena“ eine weitere Episode hinzufügt, die allerdings recht undramatisch und unspektakulär erzählt wird.
Im Jahre 33 lebt Maria Magdalena (Rooney Mara) in Judäa als Fischerin und Geburtshelferin. Sie ist überhaupt nicht daran interessiert, von ihrer Familie zur Heirat mit Ephraim (Tsahi Halevi) gedrängt zu werden, und lehnt sich so stark dagegen auf, dass an ihr ein Exorzismus ausgeführt wird, um die offenbar in ihr wütenden Dämonen auszutreiben. Als sie vom Prediger Jesus von Nazareth (Joaquin Phoenix) aufgesucht wird, versichert er ihr, dass keine Dämonen im Raum seien, dass sich stattdessen die Welt im Wandel befinde. Maria ist sofort fasziniert von dem charismatischen Mann und folgt ihm wie seine männlichen Jünger, u.a. Petrus (Chiwetel Ejiofor) und Judas (Tahar Rahim), nach Jerusalem, wo er beim Passahfest das Wort Gottes verkünden will. Allerdings steht die Stadt unter der Herrschaft des römischen Statthalters Pontius Pilatus, dessen Soldaten nicht zimperlich mit jenen umgingen, die sich ihrer Macht nicht beugen wollten …
Bereits die Eröffnungssequenz, in der Maria Magdalena im blauen Meer schwebt und darüber sinniert, wie das Himmelreich wohl aussehen mag, macht deutlich, dass sich Regisseur Garth Davis auf kontemplative Weise des Lebens Maria Magdalenas nähert, die im christlichen Kanon lange als Prostituierte galt, ehe sie vom Vatikan – wie im Abspann noch einmal erläutert wird – den Aposteln gleichgesetzt wurde. Es ist eine sehr moderne, feministische Perspektive, aus der Davis seine Geschichte von Maria Magdalena erzählt. An einer erotischen Beziehung zwischen der streng gläubigen Maria und dem oft in sich gekehrten, ruhig sinnierenden Verkünder von Gottes Wort ist nie auch nur zu denken. Stattdessen macht Jesus den Frauen, denen er begegnet und denen nicht gestattet ist, wie die Männer nach eigenem Gutdünken zu beten, Mut, sich der Fesseln gesellschaftlicher Konventionen zu entledigen und in ihrem Glauben zu leben.
Die Erzählung konzentriert sich ganz auf das Leben und die Sichtweise von Maria Magdalena, wie sie einige von Jesu Wundern – die Wiedererweckung eines Toten, die Heilung einer Blinden -, beobachtet und ihm die Füße wäscht. Das letzte Abendmahl, Judas‘ Verrat und die Kreuzigung werden nur skizzenhaft ohne große Dramatik abgehandelt, bis Maria als erste Zeugin von Christi Auferstehung das Finale prägt, in dem recht prätentiös proklamiert wird, dass sich die Welt nur ändern kann, wenn sich die Menschen in ihr ändern.
„Maria Magdalena“ erzählt die nach wie vor bedeutende Geschichte einer Frau, die sich aus dem Gefängnis patriarchischer Machtverhältnisse zu befreien sucht und einen spirituellen Weg findet, ihr Leben zu ändern. Rooney Mara („A Ghost Story“, „Song To Song“), die mit ihrem Filmpartner Joaquin Phoenix („Signs“, „Walk The Line“) ab August mit Gus Van Sants „Don't Worry, weglaufen geht nicht“ in den Kinos zu sehen ist, spielt ihre Maria-Rolle mit feierlichem Ernst, Phoenix seinen Jesus mit überzeugender Revoluzzer-Attitüde. Der Film konzentriert sich viel weniger auf die Heilslehre und die gewirkten Wunder von Gottes Sohn, sondern ganz auf Marias Gefolgschaft und ihrem Kampf gegen die patriarchischen Strukturen. Dabei überzeugen die von Kameramann Greig Fraser („Zero Dark Thirty“, „Foxcatcher“) eindrucksvoll in Szene gesetzten kargen Landschaften und die einfühlsame Musik des kürzlich verstorbenen Komponisten Jóhann Jóhannsson („Prisoners“, „Arrival“), während das durchweg langsame Tempo und die fehlenden Entwicklungen bei den Figuren auf Dauer den Filmgenuss beeinträchtigen. 
"Maria Magdalena" in der IMDb

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