Der goldene Handschuh

Eigentlich ist der Hamburger Autor, Entertainer, Komiker, Satiriker und Musiker Heinz Strunk seit seinem erfolgreichen, stark autobiografisch gefärbten Romandebüt „Fleisch ist mein Gemüse“ als versierter Schreiber humorvoller Stoffe bekannt geworden, doch 2016 legte er mit „Der goldene Handschuh“ ein verstörendes Werk über den berüchtigten Hamburger Serienmörder Fritz Honka vor, der Anfang der 70er Jahre vornehmlich abgewrackte Sexarbeiterinnen in seiner abgeranzten Junggesellenbude abschlachtete. Fatih Akin („Im Juli“, „Solino“) verfilmte den Roman als erschütterndes Psychogramm eines Außenseiters und großartige Milieustudie.

Inhalt:

Wenn der der alkoholabhängige Fritz „Fiete“ Honka (Jonas Dassler) mal nicht irgendeinem Hilfsjob nachgeht oder ihm das Saufen in der verranzten Wohnung in St. Pauli zu langweilig wird, hängt er in seiner Stammkneipe „Der goldene Handschuh“ auf dem Kiez ab, wo Gastwirt Herbert Nürnberg (Uwe Rohde) Stammkunden wie Nasen-Ernie (Lars Nagel), Soldaten-Norbert (Dirk Böhling), Tampon-Günther (Peter Badstübner), Anus (Simon Görts) und Doornkaat-Max (Hark Bohm) abfüllt.
Mit seinem deformierten Gesicht, der Brille mit Kassengestell, dem starken Schielen und seinem Sächseln gilt „Fiete“ dort als harmlos und schüchtern. Von Anus lässt er ältere, einsame Frauen ansprechen und lädt diese auf alkoholische Getränke ein, doch oft genug sind sie von Fietes Hässlichkeit so abgeschreckt, dass sie gern darauf verzichten.
Als er eines Tages eine Frau für Sex mit in seine kleine, mit zahlreichen Pin-Up-Bildern versehene Mansardenwohnung nimmt, tötet er sie. Um keinen Verdacht im Haus zu erregen, zerstückelt Honka die Leiche und legt einige der menschlichen Körperteile in der Umgebung ab. Bei seinen späteren Verbrechen deponiert er die zerstückelten Leichenteile hinter den Verkleidungen unterhalb der Dachschrägen. Den Verwesungsgeruch versucht er mit Duftbäumen zu überdecken. Gegenüber seinen Gästen gibt er stets den Kochkünsten der unter ihm lebenden griechischen Gastarbeiterfamilie die Schuld am penetranten Gestank.
Vier Jahre später nimmt Honka die ältere Wienerin Gerda (Margarete Tiesel) aus der Kneipe mit zu sich nach Hause. Als er aufgrund seiner massiven Alkoholisierung keine Erektion bekommt, penetriert er sie mit einem Kochlöffel. Am nächsten Tag nach seiner Heimkehr von der Arbeit ist Gerda immer noch nicht aus seiner Wohnung verschwunden. Aus Wut schlägt er sie, lässt sie aber weiter bei sich wohnen, nachdem er feststellt, dass sie die Wohnung aufgeräumt hat. Honka zwingt Gerda zu erniedrigendem Geschlechtsverkehr und setzt einen Vertrag auf, um sie als Sklavin zu halten. Auch soll sie ihm ihre 30-jährige Tochter Rosi zuführen. Gleichzeitig gefällt es Honka, dass er von Gerda als „Chef“ angeredet wird. Neben ihr und seinen Saufkumpanen bleibt ihm als einzige Bezugsperson sein Bruder Siggi (Marc Hosemann), der seit einer Trennung ebenfalls dem Alkohol zugeneigt ist. Gerda verlässt Honka, als sie nach den zahlreichen Erniedrigungen eines Tages im Goldenen Handschuh von Gisela, einer Majorin der Heilsarmee, mitgenommen wird, die ihr ein besseres Leben in Aussicht stellt. Wütend nimmt er die älteren Anna und Inge mit zu sich nach Hause. Während Honka Inge gewaltsam zum Sex zwingen will, flüchtet diese. Er tötet daraufhin die noch in seiner Wohnung verbliebene Anna. Als Honka von einem Auto angefahren wird, plant er einen Neuanfang ohne Alkohol. Er wird Nachtwächter in einem Bürokomplex und lernt die jüngere Putzfrau Helga Denningsen (Katja Studt) und deren Mann Erich (Max Hopp) kennen. Durch Helga, in die er sich verliebt, fängt Honka wieder mit dem Trinken an…

Kritik:

Während Heinz Strunk in seinem Roman ausführlich auf die Kindheit und der dort erlittenen Misshandlungen sowie die Psyche des Serienmörders Fritz „Fiete“ Honka eingeht, kommt Fatih Akin in der Verfilmung seines eigenen Drehbuchs schnell zur Sache. Es reicht, dass er seinen Protagonisten als hässliche, deformierte Figur am Rande der Gesellschaft präsentiert, der es nicht mal schafft, verbrauchten Sexarbeiterinnen einen Schnaps auszugeben, weil sie so angewidert von seiner Erscheinung sind. Indem Akin seinen Film weitgehend in der Absturzkneipe für verkrachte Existenzen und in Honkas mit Pin-up-Fotos tapezierten Wohnung spielen lässt, fängt er wunderbar die Atmosphäre in diesem Milieu ein, zelebriert Honkas Morde aber auch als ausgedehnte Splatterorgie, die dem Film eine FSK-18-Freigabe einbrachte. „Der goldene Handschuh“ fasziniert dabei in der Darstellung der zweckorientierten Beziehungen, die Honka mit seinen Opfern eingeht. Die verwahrlosten Frauen kommen nicht mit in Honkas Wohnung, weil sie ihn nett oder gar attraktiv finden, sondern nur weil sie so kostenlos weiter an ihren Fusel kommen. So erschütternd und verstörend die Inszenierung auch ist, mangelt es dem Film an stimmigen Figurenzeichnungen, so dass man kaum Mitleid mit den Frauen aufbringt. Auch die im Roman ausführlich geschilderte Nebenhandlung um die hanseatische Reederfamilie von Wilhelm Heinrich von Dohren wird im Film nur durch den Enkel thematisiert, der als Teenie Willi (Tristan Göbel) seine hübsche Mitschülerin Petra (Greta Sophie Schmidt) zu umgarnen versucht, die allerdings auch für Fiete zum Mädchen seiner Träume avanciert.
"Der goldene Handschuh" in der IMDb

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