Auf der anderen Seite

Seit seinem vielbeachteten Debüt mit „Kurz und schmerzlos“ (1998) hat sich Fatih Akin als neues deutsches Regietalent präsentiert, was der in Hamburg geborene Sohn türkischer Gastarbeiter mit seinen nachfolgenden Werken „Im Juli“, „Solino“ und „Gegen die Wand“ auch nachdrücklich unter Beweis stellte. Im Jahr 2007 folgte mit „Auf der anderen Seite“ der zweite Teil seiner „Liebe, Tod und Teufel“-Trilogie, die mit dem gefeierten „Gegen die Wand“ ihren Anfang nahm. Akin erzählt von sechs Figuren, die das Schicksal zwischen Deutschland und der Türkei hin- und herführt.

Inhalt:

Der pensionierte Witwer Ali (Tuncel Kurtiz) vertreibt sich die Einsamkeit in Bremer Bordellen, bis er der Türkin Yeter (Nursel Köse) in eben solch einem Etablissement begegnet: Gegen eine monatliche Unterstützung in Höhe ihres bisherigen Lohns als Prostituierte soll sie mit ihm zusammenleben und nur noch mit ihm schlafen. Sie lässt sich aber erst auf dieses Arrangement ein, als sie in der S-Bahn von zwei muslimischen Männern bedrängt wird, Reue zu zeigen und nicht mehr an den Ort ihrer Beschäftigung zurückzukehren. Alis gebildeter Sohn Nejat (Baki Davrak), der Germanistik an der Universität Hamburg unterrichtet, wundert sich über die Wahl seines sturen alten Herren, ist aber milde gestimmt, als er erfährt, dass Yeter den Großteil ihres Geldes zu ihrer Tochter Ayten (Nurgül Yesilcay) nach Istanbul schickt, um deren Studium zu finanzieren. Als Yeter auf tragische Weise ums Leben kommt, begibt sich Nejat auf die Suche nach Ayten und übernimmt in Istanbul eine deutschsprachige Buchhandlung. Doch die politische Aktivistin ist längst aus der Türkei geflohen und hat in Deutschland mit gefälschtem Ausweis bei der Studentin Lotte (Patrycia Ziolkowska) und ihrer Mutter Susanne (Hanna Schygulla) Zuflucht gefunden. Doch dann geraten Lotte und Ayten in eine Polizeikontrolle, Ayten wird kein Asyl gewährt und soll in die Türkei zurückgeführt werden. Doch da wartet schon das Gefängnis auf sie…

Kritik:

Mit „Auf der anderen Seite“ erzählt Autorenfilmer Fatih Akin die einfühlsame Geschichte sechs mehr oder weniger lose miteinander verbundener Figuren, deren Schicksal sie allesamt zwischen Deutschland und Türkei pendeln lässt. Es ist jeweils der tragische Tod zwei der Protagonistinnen, die nicht nur die geografischen Grenzüberschreitungen in Gang setzen. Während Nejat durch den Tod von Yeter sich auf die Reise nach Istanbul macht, um ihre politisch aktive Tochter zu suchen, macht sich auch Lotte nach Istanbul auf, um ihrer dort inhaftierten Freundin Ayten beiseitezustehen, was den nächsten tragischen Todesfall zur Folge hat und Lottes Mutter ins Zentrum der Erzählung im letzten Drittel des Films rückt. Akin versteht es wieder einmal sehr gut, die Atmosphäre in den Großstädten Bremen und Istanbul einzufangen, ebenso das gesellschaftspolitische Klima hier und dort, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Vielmehr gelingt es dem Filmemacher, auf besonnene Art mit authentisch wirkenden Bildern zu zeigen, was die Liebe zu einem Menschen für Kräfte freisetzt, die auch der Tod nicht einzuschränken vermag. Das wird besonders in der Schilderung von Aytens Schicksal deutlich, wenn sie wegen ihrer politischen Aktivität in ein türkisches Frauengefängnis überführt wird und Lotte eine Besuchserlaubnis zu ergattern versucht. Akin gelingt es zudem, einen nahtlosen Übergang zwischen den Kulturen zu schaffen. Wenn Lotte und ihre Mutter nach Istanbul gehen, fällt ihnen die Eingewöhnung offenbar ebenso leicht wie den Türken, die in Deutschland ihre Existenz aufbauen. So wirkt „Auf der anderen Seite“ mehr als nur wie ein Drama über Tod und Liebe, sondern auch wie ein Versuch der Verständigung zwischen den Kulturen. 

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