Nomadland

Mit ihrem preisgekrönten Festival-Hit „Songs My Brothers Taught Me“ (2015) war die Autorenfilmerin Chloé Zhao plötzlich in aller Munde und bewies mit ihrem Zweitwerk „The Rider“ (2017), dass man auch in Zukunft mit ihr werde rechnen müssen. Tatsächlich eroberte Zhao mit ihrem einfühlsamen Drama „Nomadland“ (2020) nicht nur das Arthouse-Publikum, sondern heimste bei der Verleihung der Academy Awards gleich drei Oscars ein, zwei für Hauptdarstellerin und Produzentin Frances McDormand und einen in der Kategorie Beste Regie für sich selbst.

Inhalt:

Selbst nach dem Tod ihres Mannes ist Fern (Frances McDormand) in der ehemaligen Bergbau-Kleinstadt Empire in der Nähe der Black Rock Desert in Nevada wohnen geblieben, obwohl ihr sogar nach der Schließung des einzigen großen Arbeitgebers sogar die Postleitzahl gestrichen wurde und damit offiziell aufhörte zu existieren. Doch irgendwann hat sich die 60-Jährige dazu entschlossen, das Nötigste ihrer Habe in ihren selbst wohnlich eingerichteten weißen Van zu verstauen, um sich damit, ohne eine bestimmte Richtung oder ein bestimmtes Ziel im Auge zu haben, auf den Weg zu machen, als moderne Nomadin ein Leben außerhalb der konventionellen Gesellschaft des Westens der USA zu erkunden. Sie verzichtet während dieser Reise auf materiellen Komfort, nimmt jegliche ihr unterwegs angebotene Arbeit von der Toilettenreinigung im Badlands National Park über die Arbeit in einer Restaurantküche in South Dakota und bei der Zuckerrübenernte in Nebraska bis hin zum Verpacken von Waren in einem Amazon-Fulfillment-Center in den Wochen vor Weihnachten an, womit sie sich auch von Familienmitgliedern und ehemaligen Freunden abnabelt. Doch Fern ist auf ihrer Reise inmitten all der anderen, ebenfalls in ihren Wohnmobilen oder Vans lebenden Menschen alles andere als allein: Immer wieder lernt sie neue Menschen kennen, die aus ähnlichen Gründen wie sie unterwegs sind und ihre Häuser, ihre Arbeit oder einen geliebten Menschen verloren haben.
Auf einem Campingplatz mitten in der Wüste, wo das Rubber Tramp Rendezvous, ein jährliches Nomadentreffen, stattfindet, macht sie die Bekanntschaft von Bob Wells, dem Organisator des Ganzen, der dort Seminare für die Gruppe abhält.
Einladungen anderer Nomaden wie die ihrer längerfristigen Bekanntschaft David (David Strathairn) zu dessen Familie oder auch zu ihrer Schwester, die ihr über zweitausend Geld für die Fahrzeugreparatur leiht, nimmt Fern wahr; lange hält sie es dort jedoch nicht aus. Sie kehrt immer wieder zurück zu ihrem Van und fährt fort…

Kritik:

Nachdem sich Frances McDormand zusammen mit Peter Spears die Rechte an Jessica Bruders Sachbuch „Nomaden der Arbeit: Überleben in den USA im 21. Jahrhundert“ gesichert hatte, wandte sie sich an Chloé Zhao, die sie für die filmische Umsetzung im Auge hatte, und übernahm selbst die Doppelrolle der Produzentin und Hauptdarstellerin. Neben ihr und David Strathairn haben viele der Laiendarsteller sich selbst oder Variationen davon gespielt, was dem Drama eine zusätzliche Authentizität verleiht, für die bereits Zhaos Inszenierungsstil sorgt. Sie bleibt mit der Kamera dicht bei ihren Figuren, fängt die wunderschöne Landschaft ein, mit der sich die Nomaden besonders verbunden fühlen, und verzichtet auf jeglichen Firlefanz – abgesehen von Ludovico Einaudis Piano-Kompositionen aus dessen Zyklus „Seven Days Walking“ und weiteren Tracks von Ólafur Arnalds, Cat Clifford, Nat King Cole, Paul Winer, Donnie Miller und Tay Strathairn. Der Film beleuchtet eindringlich die Schattenseite des „amerikanischen Traums“ und die Folgen der Weltfinanzkrise 2008, während der viele der heutigen Nomande ihre Häuser, Jobs oder beides verloren. Da auch die Leistungen aus dem Sozialversicherungssystem gerade für Frauen bescheiden sind und viele Menschen in den USA sich keine Wohnung leisten können, obwohl sie Vollzeit arbeiten, sind sie wie Fern, Linda oder Swankie gezwungen, in ihren Vans durchs Land zu reisen, um hier und dort in meist befristeten, schlecht bezahlten Jobs Geld für Lebensmittel und Benzin zu verdienen. Die angenehm unaufdringlichen Darstellungen, der unverstellte Blick auf das entbehrungsreiche, aber durchaus nicht würdelose Leben der Protagonst:innen macht „Nomadland“ zu einem einfühlsamen Zeugnis modernen Lebens in einem Land, in dem die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinandergeht. 

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