Wer sich auf einen Film von Rudolf Thome einlässt,
weiß spätestens seit den 1970er Jahren, auf was er/sie sich einlässt. Thome
erzählt unaufgeregt, aber leise und genau beobachtend von den Irrungen und
Wirrungen der Liebe, von Vertrauen und Verrat, vor allem von der
Selbstverwirklichung in der Liebe, so auch in seinem 2011 entstandenen Film „Venus
Talking“.
Inhalt:
Die erfolgreiche Schriftstellerin Venus Siebenberg (Sabine
Bach) zieht sich für sechs Wochen in ein von ihrem Verleger eingerichteten
Apartment hoch über den Dächern von Berlin zurück, um an ihrem neuen Roman zu
arbeiten. Derweil kümmert sich ihr Ehemann Max (Roger Tebb) um den in
abseitiger Idylle gelegenen Hof und die beiden gemeinsamen Teenager-Kinder
Sally (Nora Hanke) und Thorsten (Markus Perschmann). Venus weiß
allerdings nicht, dass neben der Webcam, über die die Besucher von Venus‘
Website den Schreibprozess beobachten können, noch weitere Webcams von einem voyeuristischen
Webmaster installiert worden sind, die u.a. auch auf das Bett in dem
elfenbeinturmartigen Glashaus gerichtet sind. Als Venus eine Affäre mit einem
Maler (Guntram Brattia) beginnt, den sie in einer Kneipe
kennengelernt hat, bekommen das ausgerechnet ihre Kinder mit, die umgehend ihren
Vater unterrichten…
Kritik:
Bevor Rudolf Thome Hannelore Elsner als neue Muse
entdecken würde, hat er einmal mehr Sabine Bach, die 1980 ihr
Schauspieldebüt in Thomes „Berlin Chamissoplatz“ feiern durfte, in
der zentralen Figur der selbstbewussten Karrierefrau besetzt, die sich von
ihrer Familie trennt, um unter ungewöhnlichen Bedingungen in Berlin an ihrem
neuen Roman arbeitet, wobei der moderne Einsatz von Webcams einen direkten
Draht zu ihrem Publikum und höhere Absatzzahlen verspricht. Thome formuliert
dabei bereits die Gefahren der allumfassenden Überwachung, des Verlustes der Privatsphäre,
aber im Zentrum steht natürlich einmal mehr die Liebe. Die Schriftstellerin
probiert sich in dem vermeintlich geschützten Arbeitsraum aus, lässt zwei
Männer in ihr Bett, ohne mit beiden auch zu schlafen, auf der anderen Seite
machen ihre Kinder auch ihre ersten Liebeserfahrungen. Das ist ebenso
unaufgeregt erzählt wie Éric Rohmers „Herbstgeschichte“, von dem
sich Venus nach einem Kinobesuch inspirieren lässt, aber der Film entwickelt
längst nicht den gefälligen Sog anderer Thome-Werke. Das liegt weniger
an Sabine Bachs Darstellung, sondern an der allzu unspektakulären
Versuchsanordnung, mit der die freie Liebe propagiert wird, die allerdings
einige Verwundete zurücklässt.
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