Mit seinem radikalen, stark improvisierten B-Movie-Ehedrama „Made
in Germany und USA“ (1974) hat Rudolf Thome offenbar Gefallen an der
Inszenierung autobiografisch gefärbter Krisenfilme gefunden, denn gleich darauf
spielte er selbst die männliche Hauptrolle in dem ebenfalls unter
minimalistischsten Produktionsbedingungen entstandenen „Tagebuch“ (1975),
lose angelehnt an lose an den Roman „Die Wahlverwandtschaften“ von Johann
Wolfgang von Goethe.
Inhalt:
Es kriselt in der Ehe von Eduard (Rudolf Thome) und
Charlotte (Angelika Kettelhack). Während Charlotte den ganzen Tag tun
kann, wozu sie Lust hat, wie Eduard meint, nämlich in einer politischen
Buchhandlung arbeiten und Artikel schreiben, womit sie maßgeblich zum
Lebensunterhalt des kinderlosen Paares beiträgt, hält sich Eduard mit
verhassten Gelegenheitsjobs über Wasser, auf dem Bau ebenso wie in einer Bücherei,
während er eigentlich an seinem Bildband über Berlin mit eigenen Texten arbeiten
würde. Eduard ist so unzufrieden mit der Situation, dass er sich scheiden
lassen möchte, aber davon will Charlotte nichts wissen. Sie gibt allerdings zu,
dass sie ihre Liebe vielleicht nur vorschiebt, weil ihr kein anderer (potenzieller)
Partner zur Verfügung stehe. Etwas Ablenkung von der Ehekrise scheint die Anmietung
einer stark sanierungsbedürftigen Fabriketage in Kreuzberg zu bieten, denn bei dem
Umzug und der Herrichtung der lichtdurchfluteten Räumlichkeiten kommt nicht nur
Eduards alter Freund Otto (Holger Henze) aus München für unbestimmte
Zeit zur Hilfe, sondern auch Charlottes Freundin Ottilie (Cynthia Beatt),
mit der sie vor Jahren durch die halbe Welt gereist ist, reist aus London an. Da
die Gespräche zwischen Eduard und Charlotte keine Lösung bieten, tauschen sich die
beiden wechselseitig mit den Neuankömmlingen aus. Als Otto nach Portugal reisen
will, um etwas Abstand von den bedrückenden Verhältnissen zu gewinnen, schließt
sich Charlotte ihm an…
Kritik:
Rudolf Thome brauchte Mitte der 1970er Jahre offenbar
wenig Geld, um seine Filmideen umzusetzen. Wie schon zuvor „Made in Germany
und USA“ setzte Thome seinen stark autobiografisch gefärbten Film
mit kontrastarmen Schwarzweißbildern um, konzentrierte sich dabei einmal mehr
ganz auf das Thema der Unmöglichkeit funktionierender Ehen. Im Gegensatz zum
Vorgängerfilm kommt hier aber immerhin eine gewisse Dynamik ins Spiel, als mit
Otto und Ottilie zwei Freunde des Ehepaars auftauchen und damit so stark zur
Reflektion der Beziehung zwischen den Eheleuten beitragen, dass neue Beziehungen
ausprobiert werden. Zwar wird auch etwas gehämmert und tapeziert und
eingerichtet, aber vor allem wird in „Tagebuch“ viel geredet, und
diesmal bewirkt vielleicht nicht das Gerede etwas, wohl aber die veränderte
Grundkonstellation, dass Charlotte mit Otto in Portugal unterwegs ist und
Eduard und Ottilie sich weiterhin um die Sanierung der Fabriketage kümmern.
Für die Stimmung außerhalb der eigenen vier Wände sorgen Eduards
Streifzüge durch Berlin auf der Suche nach passenden Motiven für seinen
Bildband. Hier fangen Martin Schäfers („Die Katze“, „Der Stand der
Dinge“) Bilder mit Eindrücken von unzähligen Ruinen, Steinwüsten und
Baustellen eindrucksvoll die Atmosphäre des Städtewandels in West-Berlin ein.
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