Im Jahr 2010 veröffentlichte der ehemalige „Titanic“-Illustrator
Wolfgang Herrndorf mit „Tschick“ einen höchst erfolgreichen
Jugendroman, der nach einer Verfilmung geradezu schrie. David Wnendt („Er
ist wieder da“, „Feuchtgebiete“) erhielt beim Rechte-Poker den Zuschlag,
verließ die Produktion aber kurz vor Drehbeginn. „Gegen die Wand“-Regisseur
Fatih Akin sprang kurzerhand in die Bresche und lieferte mit der
Adaption des Bestsellers ein launiges Coming-of-Age-Road-Movie ab, das durch
seine beiden jungen Hauptdarsteller, sommerliche Bilder und einen coolen
Soundtrack überzeugt.
Inhalt:
Wie so viele seiner Mitschüler ist auch der 14-jährige
Außenseiter Maik Klingenberg (Tristan Göbel) heimlich in seine Klassenkameradin
Tatjana (Aniya Wendel) an einem Gymnasium in Berlin-Marzahn verliebt,
doch wird er nicht mal zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen, zu der sonst alle
kommen dürfen. Kurz vor den Sommerferien bekommt Maik mit Andrei „Tschick“
Tschichatschow (Anand Batbileg) einen neuen Mitschüler, der auch sein
Sitznachbar in der Klasse wird, weil den einzigen freien Platz bislang niemand
sonst besetzen wollte. Der kürzlich aus dem tiefsten Russland nach Deutschland
gekommene Spätaussiedler hat natürlich auch keine Einladung zur Party erhalten,
kreuzt aber zum Ferienbeginn mit einem geklauten Lada vor Maiks Tür auf. Da
seine fröhlich-liebevolle Alkoholiker-Mutter (Anja Schneider) eine
Entziehungskur macht und sein ätzender Vater (Uwe Bohm) sich vergnügt
sich mit seiner „Assistentin“ Mona auf einer „Geschäftsreise“ vergnügt, lässt
sich Maik auf eine abenteuerliche Reise mit Tschick ein, der eigentlich in die
Walachei will, aber nicht über den Osten Deutschlands hinauskommt. Dabei stoßen
sie auf einen wütenden Bauern, eine adlige Gruppe von Radlern, einer
hilfsbereit-seltsamen Familie, einen Dorfpolizisten (Marc Hosemann) und
Isa (Mercedes Müller), die auf einem Schrottplatz lebt, aber nach Prag
möchte…
Kritik:
Zwar bekam Fatih Akin noch die Möglichkeit, mit seinem
alten Förderer Hark Bohm („Nordsee ist Mordsee“) das Drehbuch von
Lars Hubrich noch zu überarbeiten und dem Ganzen einen eigenen Touch zu
verleihen, doch die Vorlage enthielt ja bereits alles, was auch eine Verfilmung
erfolgreich machen würde. Ein paar Szenen genügen, um zu verdeutlichen, dass Maik
zwar in wohlhabenden Verhältnisse am Rande der Hochhaussiedlungen in Marzahn
aufwächst, aber auch unter den dysfunktionalen Beziehungen in der Familie
ebenso leidet wie unter der Nichtbeachtung durch seine Klassenkameraden:innen. Erst
durch den Spätaussiedler Tschick beginnt Maiks tristes Leben an Farbe zu
gewinnen, und Akin betont diesen Wendepunkt in dem Leben des Jungen
durch knallige Farben, die mit dem leuchtenden Blau des geklauten Lada beginnen
und sich vor allem durch die leuchtenden Farben in der Natur fortsetzen, die
Maik und Tschick bei ihrem Roadtrip durchqueren. Allein der Umstand, dass die
beiden Jungs ohne Karte und Kompass, also ohne jede Orientierung und ohne
echtes Ziel losfahren, ist für einige Turbulenzen gut, aber auch die teils
skurrilen Begegnungen sorgen für unterhaltsame Momente. Mit der auf dem
Schrottplatz lebenden Isa kommt schließlich doch noch etwas Liebe ins Spiel, so
dass „Tschick“ alles aufbietet, was ein Coming-of-Age-Roadtrip auszeichnen
sollte. Die temporeiche Inszenierung, die coolen Dialoge und einige Running
Gags sorgen mit den Darstellungen der Jungschauspieler für ein zeitgemäßes Portrait
der jugendlichen Befindlichkeiten im 21. Jahrhundert.
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