Das Sichtbare und das Unsichtbare
Es gibt nur wenige deutsche Filmemacher, sie so produktiv
gewesen sind wie Rudolf Thome – Rainer Werner Fassbinder natürlich, Wim
Wenders, Volker Schlöndorff -, aber Thome ist nie die Anerkennung zuteilgeworden,
die seine Regiekollegen erleben durften. Dieses Nischendasein ermöglichte Thome
allerdings auch, stets seine Wunschprojekte zu realisieren, wie entfernt auch
immer sie vom konventionellen Publikumsgeschmack auch gewesen sein mögen. Mit seinem
25. Film, „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ (2007), der fünften und letzten
Zusammenarbeit mit Hannelore Elsner, hat Thome definitiv einen seiner besten
Filme abgedreht.
Endlich hat er es geschafft: Der Maler Marquard von Polheim
(Guntram Brattia) wird nach langen Jahren der Missachtung mit dem
Paul-Gauguin-Preis geehrt, der zudem noch mit 100.000 Euro dotiert ist. Doch
freuen kann sich der sensiblen und enttäuschte Künstler über diese Anerkennung nicht.
Schon vor der Preisverleihung hat er sich in einer Bar ordentlich was
genehmigt, bei der unvermeidlichen Dankesrede erwähnt er unverblümt, dass die
Auszeichnung gut zwanzig Jahre zu spät komme, er habe eigentlich schon mit dem Malen
abgeschlossen.
Unter den wüsten Ausfällen leidet auch seine Beziehung zu
seiner langjährigen Lebenspartnerin und Malerkollegin Maria Döbereiner (Hannelore
Elsner), die sich schon seit längerem in einer Krise befindet. Sie bringt ihren
schwer angetrunkenen Freund ins Bett, schläft selbst im Atelier und beschließt
am folgenden Morgen, die Beziehung mit Marquard zu beenden. Während dieser sich
in eine Affäre mit der viel jüngeren Angie (Stefanie Roße) stürzt und unvermittelt
eine Reise mit seiner Tochter Lucia (Anna Kubin) unternimmt, bei der sie
die Übereinkunft getroffen haben, nicht zu reden, verarbeitet Maria das Ende
der Beziehung mit dem Beginn an einem Bild mit dem Titel „Das Sichtbare und das
Unsichtbare“. Schließlich trifft sie sich mit ihrem früheren Geliebten, dem
Philosophen und Pferdezüchter Gregor (Hansa Czypionka), wieder...
Kritik:
Die Kunst und die Liebe und diesmal auch der Tod sind die
großen Themen in Thomes „Das Sichtbare und das Unsichtbare“, und
als Zuschauer wird man geradezu verführt zu denken, der Autorenfilmer habe
seine eigene Geschichte verfilmt. Wenn Marquard auf seiner eigenen
Preisverleihung darüber lamentiert, der Preis würde ihm zwanzig Jahre zu spät zugesprochen,
kommt ein Frust zum Ausdruck, den auch Thome im Verlauf seiner knapp
vierzigjährigen Karriere verspürt haben muss. Zwar wurde er 2019 von der German
Film Critics Association mit dem Ehrenpreis gewürdigt, doch ansonsten durfte
sich Thome gerade mal mit einigen wenigen Nominierungen für „Paradiso – Sieben
Tage mit sieben Frauen“ (Berlin International Film Festival), „Liebe auf
den ersten Blick“ (Cannes Film Festival) oder „Tarot“ (Moscow International
Film Festival) freuen. Am besten schnitt er noch mit „Berlin Chamissoplatz“
ab, der 1981 beim Chicago International Film Festival für den Gold Hugo nominiert
war und 1983 bei der Guild of German Art House Cinemas den Guild Silver
Award in Silber gewann.
In „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ verknüpft
Thome überzeugend eine künstlerische Schaffenskrise mit sehr persönlichen
Krisen, die sich hier vor allem um das Scheitern persönlicher Beziehungen
drehen. Während Marquard durch die Affäre mit einer Frau im Alter seiner Tochter
dazu animiert wird, die Beziehung zu seiner Tochter neu zu entdecken, kehrt
auch seine vom Leben, von der Liebe und der Kunst enttäuschte Lebensgefährtin
zu dem Mann zurück, den sie einst geliebt und für einen Traum in der Südsee
aufgegeben hatte. Am Ende erzählt „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ also
zwei Geschichten, die jede für sich glaubwürdig inszeniert, toll gespielt und
vor allem von Thomes neuen Kameramann Fred Kelemen („Verhängnis“,
Abendland“) großartig fotografiert worden sind.








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