Ludwig II.
Da der italienische Drehbuchautor, Theater-, Opern- und Filmregisseur Luchino Visconti (1906-1976) selbst aus einer italienischen Adelsfamilie stammte, wuchs er in einem natürlichen Umfeld von Schönheit und Prunk auf, das ihm gerade in den späteren Schaffensjahren zu seinen bevorzugten Kulissen inspirieren sollte, wenn sich der Mitbegründer des italienischen Neorealismus wie in dem 1973 veröffentlichten 4-Stunden-Epos „Ludwig II.“ dem Verfall des europäischen Adels widmete. Es war zudem Romy Schneiders letzter Auftritt in ihrer vom Publikum innig geliebten, von ihr selbst aber zunehmend verhassten Rolle der Sissi.
Inhalt:
Mit gerade mal 18 Jahren wird Ludwig (Helmut Berger) 1864 zum bayrischen König gekrönt. Zwar bekommt er zuvor von Pater Hoffmann (Gert Fröbe) die Devise mit auf den Weg, dass sich ein wirklich großer Mann in Bescheidenheit übe, doch davon will Ludwig II. nichts wissen. Stattdessen lässt er mit seiner ersten Amtshandlung nach dem von ihm idealistisch verehrten Komponisten Richard Wagner (Trevor Howard) suchen, der sich stets auf der Flucht vor seinen Gläubigern befindet und zudem ein Verhältnis mit Cosima von Bülow (Silvana Mangano) pflegt, der Ehefrau von Wagners Dirigenten Hans von Bülow (Mark Burns).
Der bayrische König kümmert sich kaum um die Politik und sucht stattdessen die Nähe seiner schönen Cousine Elisabeth von Österreich-Ungarn (Romy Schneider), für die er schwärmt, die er bei einem nächtlichen Ausritt sogar küsst, die ihn dann aber hochmütig seinem Schicksal überlässt und ihm eine Ehe mit ihrer Schwester Sophie von Wittelstein (Sonia Petrovna) nahelegt, für die er allerdings überhaupt kein Interesse hegt.
Während Ludwig sich von Wagner und Elizabeth enttäuscht ins Privatleben zurückzieht und im Deutschen Krieg neutral bleiben will, schlägt sich das bayrische Kabinett 1866 auf die Seite von Österreich gegen Preußen. Nachdem der Krieg verloren gegangen ist und Ludwig sich seiner homosexuellen Neigungen bewusstwird, lässt er spontan 1867 die Verlobung mit Prinzessin Sophie bekannt geben, zögert die Heirat aber über Monate hinaus und löst die Verlobung schließlich auf. Zwar geht der König mit dem Bediensteten Richard Hornig schließlich seinen homosexuellen Neigungen nach, doch nagt in ihm das katholisch geprägte Gewissen.
Derweil geht Bayern mit Preußen ein Bündnis ein und wird 1871 Teil des neugegründeten Deutschen Reiches. Als sich der geistige Zustand von Ludwigs jüngerem Bruder Otto (John Moulder-Brown), der seit seinem Kriegseinsatz 1866 mit Depressionen zu kämpfen hat, in eine psychiatrische Klinik gebracht werden muss, ist Ludwig geschockt und widmet sich fortan
dem kostspieligen Bau der Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee, was das Kabinett zusehends gegen Ludwig aufbringt. Der König selbst entfremdet sich immer stärker von seiner Umgebung, verliert sich immer stärker in seinen Träumen und nächtlichen sexuellen Exzessen mit seinen Dienern. 1886 wird Ludwig schließlich auf Schloss Neuschwanstein von einer Regierungskommission für geisteskrank erklärt…
Kritik:
Mit „Ludwig II.“ hat Visconti („Rocco und seine Brüder“, „Der Leopard“) ein farbenprächtiges Sittengemälde inszeniert, das ganz auf den geistigen Verfall des titelgebenden Protagonisten fokussiert ist, der von Viscontis Lebensgefährten Helmut Berger („Die Verdammten“, „Gewalt und Leidenschaft“) mit großer Eindringlichkeit verkörpert wird, während Romy Schneider bei ihrem letzten Sissi-Auftritt als selbstbewusste und manipulierende Regentin nur eine – wenn auch sehr überzeugende – Nebenrolle zukommt.
Visconti ist nicht darauf aus gewesen, Ludwig für sein mangelndes Interesse am politischen Tagesgeschehen oder strategischen Entscheidungen noch für seine Verschwendungssucht zu kritisieren. Stattdessen wird Ludwig als tragische Figur charakterisiert, der sich den Pflichten seines Amtes nicht gewachsen sieht und seine Enttäuschungen über die Menschen, die er als Seelenverwandte verehrt hat (wie Richard Wagner, der ihn schamlos ausnutzt, und Elizabeth, die mit seinen Gefühlen nur zu spielen scheint), mit der Konsequenz verarbeitet, sich immer mehr in sich selbst und in seine Träume zurückzuziehen. Der Niedergang des bayrischen Königs macht sich zunehmend in düsteren und verregneten Kulissen bemerkbar, die Ludwig bis zum tragischen Tod zu erdrücken drohen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen