Nachtblende

Der 2016 verstorbene polnische Filmemacher Andrzej Zulawski („Meine Nächte sind schöner als deine Tage“, „Possession“, „Diabel“) ist für seine - vor allem für seine Darsteller – herausfordernde Filme bekannt gewesen. Sein 1975 entstandenes Künstler-Drama „Nachtblende“ wäre heute vielleicht nahezu vergessen, wenn nicht Romy Schneider eine so beeindruckend mitreißende Darstellung abgeliefert hätte, die zurecht mit einem César ausgezeichnet wurde. 

Inhalt: 

Die einst gefeierte, nun von Selbstzweifeln zerfressende Schauspielerin Nadine Chevalier (Romy Schneider) lebt mit ihren manisch-depressiven Mann Jacques (Jacques Dutronc) in einer Villa, die ihr eine österreichische Gönnerin zur Verfügung gestellt hat, ist allerdings an einem Punkt in ihrer Karriere angelangt, da sie in billigen Pornos mitwirken muss, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Bei einem dieser Drehs verschafft sich der Paparazzi Servais Mont (Fabio Testi) Zugang zum Set und macht unerlaubt Fotos von ihr, die er an eine Zeitschrift verkaufen will. Zwar wird Servais von Mitarbeitern der Produktion vom Set gejagt, steht jedoch am nächsten Tag vor Nadines Tür, um weitere Fotos von ihr zu machen. Nachdem die Fotos im Kasten sind, zu denen sich Nadine bereiterklärt hat, gestaltet sich der Umgang zwischen den beiden schwierig. 
Obwohl eine starke Anziehung zwischen dem Fotografen und der Schauspielerin besteht, kommen sie nicht zusammen, haben sich nicht viel zu sagen. Um sie zu unterstützen, vermittelt Servais Nadine heimlich über den Schauspieler Karl-Heinz Zimmer (Klaus Kinski) und den erfolglosen Regisseur Messala (Guy Mairesse) eine Hauptrolle in dessen Theaterinszenierung zu Shakespeares „Richard III“. Lapade (Michel Robin), ein heruntergekommener Alkoholiker, mit dessen Frau Lucie (Nicoletta Machiavelli) Servais seit einiger Zeit ein Verhältnis hat, vermittelte ihm den Kontakt mit Zimmer und Messala. Die 10.000 Franc, die Messala für die Beteiligung von Nadine an der Produktion verlangt, leiht sich Servais das Geld von Mazelli. Die so entstandenen Schulden arbeitet Servais ab, indem er für Mazelli pornografische Fotos macht. Jacques, dem es nicht möglich ist, mit seiner Frau zu schlafen, bekommt natürlich mit, wie sich Servais und Nadine einander umkreisen, und fasst einen dramatischen Entschluss… 

Kritik: 

Zulawski verschlägt es mit „Nachtblende“ in die düsteren Niederungen des künstlerischen Schaffensprozesses, in die zerstörerischen Wirren der Liebe. Eingerahmt wird die bruchstückhaft zusammengefügte Erzählung von zwei sinnbildgleichen Szenen. Zu Beginn wird Nadine von einer aggressiv brüllenden Regisseurin dazu angetrieben, einem mit Kunstblut überströmten, nahezu leblosen Mann ihre Liebe zu gestehen und es mit ihm zu treiben. 
Romy Schneiders Figur bringt die Worte nicht über ihre Lippen. Tränenüberströmt beteuert sie: „Ich bin Schauspielerin, ich kann wirklich was! Das hier mache ich nur um leben zu können!“ In der Schlussszene wiederum sucht Nadine Servais in seiner Wohnung auf und findet auch ihn blutüberströmt vor. Doch hier steht sie im wirklichen Leben, hier kommen ihr die Worte ohne Regieanweisung wie selbstverständlich, ganz zärtlich aus ihrem Mund. 
Von Zärtlichkeit ist in „Nachtblende“ sonst nicht viel zu spüren. Zulawski bewegt sich mit seiner Kamera durch heruntergekommene Kulissen, sei es in den Wohnungen der Beteiligten, sei es an den Sets der Porno- oder Theaterproduktionen oder in den tristen Räumlichkeiten der Pathologie. Die Liebesverhältnisse sind kompliziert, die Beziehungen zwischen den unterschiedlichsten Figuren absolut dysfunktional. Es geht um Geld und Liebe, um Macht und Abhängigkeit. Zulawski versteht es, das Beste aus seinem Ensemble rauszuholen. 
Romy Schneider dankt es ihm, indem sie die Zerbrechlichkeit ihrer Figur jederzeit in ihrem Gesicht zur Schau stellt, und auch Klaus Kinski ist in einer sehenswerten Performance zu bewundern. Als Gesamtkunstwerk ist „Nachtblende“ jedoch schwer zu ertragen. Einzelne Momente, die die tragische Natur der Figuren herausstellen, verschwimmen in der grotesken Ansammlung barocker Alptraum-Gemälde und machen die Figuren zu Kunstfiguren, die allein für die Kunst und die Liebe leben, aber an der Kommerzialisierung ihres Gewerbes zugrunde gehen. 

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