The Witch
Mit thematisch so unterschiedlichen Meisterwerken wie „Der Leuchtturm“ (2019), „The Northman“ (2022) und „Nosferatu“ (2024) ist der junge US-amerikanische Drehbuchautor und Regisseur Robert Eggers längst in aller Munde, doch schon sein gerade mal mit drei Millionen Dollar kostengünstig produziertes Regiedebüt „The Witch“ (2015) demonstriert eindrucksvoll den einzigartigen visuellen Stil und die elegante Inszenierungskunst des überaus talentierten Filmemachers.
Inhalt:
Neuengland um 1630. Als sich der englische Siedler William (Ralph Ineson) mitsamt seiner Frau Katherine (Kate Dickie) und seinen fünf Kindern wegen „hochmütiger Arroganz“ vor einem Tribunal ihrer Siedlergemeinschaft verantworten muss und sich nicht von einer absolut reinen Auslegung der christlichen Lehre abbringen lässt, wird er mit seiner Familie verstoßen. Am Rand eines großen Waldes mitten in der Wildnis baut er seinen Liebsten ein neues Heim samt Stall für die Ziegen.
Doch die isoliert von jeder menschlichen Gemeinschaft lebende Familie muss dabei offenbar ohne Gottes Segen auskommen. Erst kommt der ältesten Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy) beim Spielen ein Baby abhanden, wofür die Familie entweder einen Wolf oder eine Hexe verantwortlich macht – die jüngeren Zwillinge halten sogar Thomasin selbst für eine Hexe.
Dann verfault der angebaute Mais, so dass der streng puritanische Patriarch mit seinem ältesten Sohn Caleb (Harvey Scrimshaw) auf die Jagd geht, damit überhaupt etwas Essen auf den Tisch kommt. Doch das Gewehr explodiert in Williams Gesicht, der anvisierte Hase hoppelt unbekümmert davon. Das Unheil nimmt fortan innerhalb der Familie seinen Lauf. Die pubertierende Thomasin hinterfragt das Handeln des allherrschenden Vaters, der immer wieder zu gemeinsamen Gebeten aufruft, um das Böse nicht Einzug in das Heim gewähren zu lassen, doch der Teufel lässt sich davon kaum beeindrucken…
Kritik:
Bereits in seinem Spielfilmdebüt präsentiert sich Robert Eggers als akribischer Autor, der seine Geschichten möglichst authentisch erzählen will. Für sein „A New-England Folktale“ – so der Untertitel von „The Witch“ hat er nicht nur mit Historikern zusammengearbeitet, sondern auch Prozessakten, zeitgenössische Überlieferungen Bücher von Experten für die Landwirtschaft des Elisabethanischen Zeitalters sowie das Werk „The Practice of Piety“ des puritanischen Devotionalienführers Lewis Bayly berücksichtigt, um ein möglichst akkurates Bild dieser Zeit zu zeichnen.
Eggers siedelte die Geschichte in Neuengland an, einem Gebiet im Nordosten der USA, das neben Virginia der Ursprung der englischen Besiedlung Nordamerikas und eine neue Heimat vieler Puritaner war, und zeichnete im Film das Bild einer klassischen puritanischen Familie.
Der Puritanismus war eine im 16. Jahrhundert in England und Schottland entstandene Reformbewegung. Puritaner, die in England nicht zur äußeren Konformität mit der anglikanischen Kirche bereit waren, wurden dort in Folge eines 1593 von Elisabeth I. verabschiedeten Gesetzes verfolgt, die mit äußerster Härte gegen puritanische Bestrebungen vorging. Dies führte später zur Auswanderung vieler Puritaner, überwiegend nach Amerika.
Vor diesem Hintergrund nimmt sich Eggers sehr viel Zeit für seine Figuren, bleibt in langen Kameraeinstellungen stets bei ihnen und macht schnell deutlich, welche Folgen die absolute Isolation und der fundamentalistische Glauben mit den Psychen sowohl der Eltern als auch der Kinder haben. Der Horror scheint zwar auch im Wald in Gestalt einer verführerischen Hexe zu hausen, die erst das Baby der Siedler entführt und tötet, dann auch den ältesten Sohn verführt, nachdem dieser bereits unkeusche Blicke auf seine pubertierende Schwester geworfen hatte.
Eggers lässt bei allen möglichen äußeren Einflüssen jedoch keinen Zweifel daran, dass der wahre Horror in dem strengen Glauben der Puritaner liegt, dass Hexen jenseits der etablierten Religion dem Patriarch die Stirn bieten, indem sie die Sinnlichkeit und Sexualität ihres weiblichen Körpers entgegensetzen. Eggers kommt bei „The Witch“ ohne die heutzutage im Horror-Genres inflationär gebrauchten Jump-Scares aus, baut stattdessen langsam eine bedrohliche Spannung auf, die durch eine düstere Optik, die von Malern wie Dürer und Goya inspiriert scheint, ebenso verstärkt wird wie durch die atmosphärische Musik von Mark Korven, der auf ein elektronisches Sounddesign verzichtete und stattdessen mit einem alten Cello die meisten Perkussionklänge erzeugte und überwiegend ungewöhnlichen Instrumenten wie einer Schwedischen Nyckelharpa und einem Waterphone arbeitete. So ist mit viel Leidenschaft aller Beteiligten ein außergewöhnliches Horror-Drama gelungen, das lange nachwirkt.
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