Das Mädchen und der Kommissar

Claude Sautet begann seine Filmkarriere (nach dem weithin unbeachteten Debüt „Die tolle Residenz“ aus dem Jahr 1955) mit den beiden Lino-Ventura-Dramen „Der Panther wird gehetzt“ (1960) und „Schieß, solange du kannst“ (1965), ehe seine langjährige Zusammenarbeit mit den beiden Schauspielern Michel Piccoli und Romy Schneider begann und er seine Passion für ausgefeilte Charakterstudien fand. Nach dem 1970 entstandenen Meisterwerk „Die Dinge des Lebens“ (1970) konnte der Neo-Noir „Das Mädchen und der Kommissar“ (1971) allerdings nicht mehr ganz so überzeugen. 

Inhalt: 

Nachdem Max Pelissier (Michel Piccoli) als Richter einen offensichtlich Schuldigen wegen mangelnder Beweise freisprechen musste, wechselte er zur Pariser Polizei, wo er allerdings auch tatenlos mitansehen muss, wie eine Bande von Räubern mehrere Banküberfälle ausübt, ohne eine verwertbare Spur zu hinterlassen. Bei einem weiteren Überfall gelingt es Pelissier und seinen Männern wieder nicht, die Bande auf frischer Tat zu ertappen. Sein Informant hatte von einer Filiale, nicht vom Stammhaus der ausgeraubten Bank gesprochen, nun haben die Verbrecher Pelissiers Informanten tot am Tatort zurückgelassen. Im Zuge seiner Ermittlungen stößt der Inspektor bei einem Autohändler auf seinen alten Kriegskameraden Abel (Bernard Fresson), den er auf der Straße in ein Gespräch verwickelt, um dann auf die alten Zeiten zu trinken. 
Abel hält den Inspektor aufgrund dessen distinguierter Kleidung für einen inzwischen wohlhabenden Geschäftsmann, während er selbst mit seiner Arbeit im Schrotthandel in dem Pariser Vorort Nanterre gerade so über die Runden kommt, wobei er mit seiner Truppe das veräußerte Metall teilweise durch Diebstähle auf Baustellen bekommt. 
In Pelissier reift der Plan, Abel zu einem Banküberfall anzustiften. Chefinspektor (Georges Wilson) informiert er darüber, dass er einer Bande von Bankräubern auf der Spur sei, die von Nanterre aus agieren. Pelissiers Chef nimmt mit dem in Nanterre ansässigen Kommissar Rosinsky (François Périer) Kontakt auf, der die Stammkneipe, in der Abel und Konsorten ein- und ausgehen, gut kennt. Dort hat er auch einen eigenen Informanten sitzen. Dass Abels Truppe aber zu einem Bankraub fähig wäre, hält er für unwahrscheinlich. Er lässt sich von Pelissier aber das Versprechen abnehmen, ihn auf dem Laufenden zu halten. 
Als Pelissier die Kneipe selbst in Augenschein nimmt, fällt ihm Abels Freundin Lili (Romy Schneider), eine deutsche Prostituierte aus dem Umfeld der Bande, auf. Als er sie auf ihr Zimmer begleitet, will er jedoch keinen Sex, sondern nur mit ihr reden. Er stellt sich Lili als Bankier vor, mietet sich ein Luxusapartment und beginnt, mehr Zeit mit ihr zu verbringen und sie nebenbei mit den nötigen Informationen zu versorgen, mit denen Abel einen Überfall auf „seine“ Filiale planen kann. Dort will Pelissier mit seinen Kollegen die Bande auf frischer Tat festnehmen… 

Kritik:

Claude Sautet hat den Roman „Max et les ferrailleurs“ von Claude Néron weniger als Krimi, sondern als Studie desillusionierter Charaktere angelegt. Max Pelissier ist der Sprössling einer wohlhabenden Familie, finanziell also unabhängig. Den respektablen Beruf eines Richters hat er an den Nagel gehängt, weil er die Schmach im Gerichtssaal, einen Schuldigen laufen lassen zu müssen, nicht länger ertragen konnte. Nun ist ihm allerdings jedes Mittel recht, um ein Exempel im Kampf gegen das Verbrechen zu statuieren, auch wenn es sich dabei nur um eine Bande Kleinkrimineller handelt. Skrupellos nutzt er dazu die attraktive Freundin seines alten Kriegskameraden aus, um die Bande zu einem Bankraub anzustiften. 
Michel Piccoli wirkt als verhärmter Fanatiker allerdings etwas steif, weshalb das Augenmerk des Films natürlich auf Romy Schneider fällt, deren Lili bislang auch nicht viel Glück im Leben hatte. Aber sie hat sich von Deutschland aus bis nach Paris durchgeschlagen und ist trotz der Beziehung zu Abel unabhängig geblieben. Von ihrem Geld will er nichts, und Lili lehnt es im Lauf ihrer Beziehung zu ihrem „Bankier“ irgendwann auch ab, weiterhin Geld für ihre Gesellschaft zu nehmen. Sie scheint sich aussuchen zu können, mit wem sie zusammenlebt, sie ist in ihren Kreisen ebenso beliebt wie selbständig. 
Sautet bleibt mit der Kamera stets nah bei seinen Figuren, doch bleiben diese seltsam entrückt. Vor allem die Motivation von Michel Piccolis Figur wird nur unzureichend aufgezeigt, wird eher postuliert als überzeugend herausgearbeitet. Trotz der Schwächen bei der Figurenzeichnung ist Sautet ein packendes Drama gelungen, dessen Kriminalfall nur den handlungstreibenden Hintergrund für das etwas konstruiert wirkende Psychogramm eines fanatischen Kommissars und einer freiheitsliebenden Prostituierten bildet. 

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