Happy Together
In seinen früheren Filmen hat sich der Hongkonger Filmemacher
Wong Kar-Wai immer wieder mit der Liebe auseinandergesetzt, vor allem
mit der Einsamkeit, die aus beendeter oder unerwiderter Liebe entsteht. Nach den
sehr episodenhaft und stark fragmentiert erzählten Filmen wie „As Tears Go
By“, „Days of Being Wild“ und „Fallen Angels“ ging der mittlerweile
durch die Fürsprache von Quentin Tarantino auch international bewunderte
Autorenfilmer mit „Happy Together“ (1997) einen neuen Weg. Allerdings
täuscht der Titel ein Glück vor, das im Leben der beiden Protagonisten keinen
Bestand hat.
Inhalt:
Das schwule Liebespaar Lai Yiu-Fai (Tony Leung Chiu-wai)
und Ho Po-wing (Leslie Cheung) hat sich auseinandergelebt und hofft, durch
eine Reise nach Argentinien ihr Glück neu zu beleben. Doch auch auf der anderen
Seite des Globus müssen Lai und Ho schnell feststellen, dass sie von dem
zermürbenden Alltag eingeholt werden und sich immer wieder streiten.
„Lass es
uns doch noch einmal versuchen“, fleht Ho schon fast verzweifelt, doch verkommt
der Appell bald zur leeren Floskel. Eigentlich wollten die beiden zu den
Iguassu-Wasserfällen reisen, doch nach einer Autopanne hängen sie in Bueno
Aires fest und haben auch kein Geld, um nach Hongkong zurückzufliegen. Um sich
das Geld für die Tickets zu verdienen, nimmt Lai einen Job als Türsteher in
einer Tangobar an, während sich Ho prostituiert.
Nachdem Ho von ein paar Typen
fast krankenhausreif geschlagen wird, weiß er in seiner Not weder ein noch aus
und steht bei Lai vor der Tür. Der kümmert sich zwar um seinen ehemaligen
Liebhaber, der mit seinen bandagierten Händen wenig anfangen kann, doch die
erneuten Annäherungsversuche von Ho blockt Lai vehement ab, denn bei seinem
neuen Job als Koch hat er sich in seinen Arbeitskollegen verguckt…
Kritik:
Während Wong Kar-Wai in seinen früheren Werken ein
ganzes Ensemble an unterschiedlichen Leuten durch eine wahllos zerstückelte
Handlung führte, wagte er es in „Happy Together“ erstmals, sich auf ein
einziges Liebespaar zu konzentrieren und bei den beiden Protagonisten zu
bleiben.
Der irreführende Titel des Films verweist dabei lediglich auf die Vergangenheit
des schwulen Pärchens, von dem wir nicht wissen, wie es sich in Hongkong kennengelernt
und warum es sich auseinandergelebt hat, denn die Handlung spielt sich
vorwiegend im fernen Argentinien ab, wo die Welt nicht viel anders aussieht als
in der Heimat. Obwohl Lai Yiu-Fai und Ho Po-wing wissen, dass ihre Beziehung zu
Ende ist, können sie sie nicht einfach beenden. Einzelne rauschhafte Glücksmomente,
die in der körperlichen Vereinigung und dem unbelasteten Ausleben ihrer Gefühle
erleben, haben offensichtlich ein Band geknüpft, das sich nicht so einfach zerreißen
lässt.
Als Zuschauer bemerkt man jedoch nach wenigen Szenen, dass die Beziehung
keine Zukunft hat. Für Lai genügt schon die Gegenwart eines sympathischen
Arbeitskollegen, um sich gefühlsmäßig neu zu binden. Kar-Wai und sein
Stamm-Kameramann Christopher Doyle begleiten diese toxische Beziehung
mit ungewohnt ruhig fließenden Bildern, die längst nicht so hektisch
zusammengeschnitten sind wie in Kar-Wais früheren Werken.
Zwar wechselt
sich die vertraut grelle Farbgebung immer mal wieder mit grobkörnigen
Schwarzweiß-Bildern ab, begegnen uns die bekannten ungewöhnlichen Blickwinkel
und Horizontverschiebungen, aber insgesamt wirkt „Happy Together“ erstmals
wie aus einem Guss und macht das Gefühlsleben der Protagonisten nachvollziehbarer,
weil sich Kar-Wai ausnahmslos um sie kümmert. Das tut dem Film einfach
gut und macht ihn zum reifsten und eindringlichsten Film des Ausnahmeregisseurs.
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