Melancholia

Seit seiner verstörenden wie faszinierenden „Europa“-Trilogie mit den stilistisch vollkommen unterschiedlichen Filmen „The Element of Crime“, „Epidemic“ und „Europa“ hat sich der dänische Filmemacher Lars von Trier immer wieder neu erfunden und die Grenzen des Mediums Films erforscht, dabei immer wieder sein Publikum provoziert, am heftigsten mit dem diabolisch-pornografischen „Antichrist“ (2009). Der damals an Depressionen erkrankte von Trier mochte damit zwar nicht seine eigenen Dämonen austreiben, hatte aber einen Weg gefunden, sich mit ihnen auszusöhnen. Mit „Melancholia“ (2011) führte der Däne nicht nur wieder starke Frauenfiguren wie in seinen Meisterwerken „Breaking the Waves“, „Dancer in the Dark“ und „Dogville“ ein, sondern fand auch eine neue, versöhnliche Bildsprache für sich.

Inhalt:

Die melancholische Justine (Kirsten Dunst) lässt sich auf eine Heirat mit dem sympathischen Michael (Alexander Skarsgård) ein und feiert die von ihrer Schwester (Charlotte Gainsbourg) ausgerichteten und deren wohlhabenden Mann John (Kiefer Sutherland) finanzierten Hochzeit mit einer märchenhaften Feier auf einem schwedischen Schloss inklusive 18-Loch-Golfkurs. Doch schon der Auftakt gestaltet sich problematisch, als sich das Paar durch das langsame Vorankommen der Stretch-Limousine auf den engen Wegen verspätet. Justine aber erblickt am Himmel einen Stern, der besonders hell strahlt und von John, der sich sehr für Astronomie interessiert und ein Teleskop mitgebracht hat, als ein Stern namens Antares identifiziert wird.

Die Festlichkeiten verlaufen wenig harmonisch. Die geschiedenen Brauteltern Gaby (Charlotte Rampling) und Dexter (John Hurt) beleidigen sich vor allen Gästen, während Justine sich immer wieder zurückzieht, ein Bad nimmt oder sogar schläft. Ihr Arbeitgeber Jack (Stellan Skarsgård), der Justines Beförderung zum Artdirector in seiner Werbefirma verkündet, erwartet von ihr noch während der Feier einen Werbeslogan für eine neue Kampagne, wofür er eigens einen neuen Angestellten auf Justine ansetzt, der ihr den Slogan entlocken soll. Justine fällt in die Depression zurück, beleidigt ihren Boss, kündigt ihren Job und wird von ihrem Ehemann verlassen, den sie zuvor mit dem jungen Kollegen betrogen hat, den Jack für sie abgestellt hatte.
Nach der verpatzten Hochzeit wird Justine von Claire auf den Landsitz zurückgeholt. Sie hilft Justine, ihren Zusammenbruch zu überwinden. Justine reitet mit ihrer Schwester aus. Laut John wird Antares durch den vagabundierenden Planeten „Melancholia“ verdeckt. Der Planet taucht hinter der Sonne auf und zieht vor Antares vorbei. John verkündet, nach Berechnungen der Wissenschaftler werde Melancholia die Erde in unmittelbarer Nähe passieren, ohne dass es zu einem Kontakt kommt. Claire sieht sich voller Unruhe die Bahn von Melancholia auf Internetseiten an, denen zufolge es durchaus zu einer Kollision mit der Erde kommen kann. John versucht sie zu beruhigen, schafft jedoch heimlich Lebensmittel- und Benzinvorräte herbei. Angesichts des nahenden Planeten verliert Claire zunehmend die Fassung, während Justine das Ende der Welt herbeisehnt und sich nachts nackt im Schein des Planeten „sonnt“.
In den folgenden Tagen häufen sich seltsame Vorzeichen. Der Strom in der Villa fällt aus, der Bedienstete erscheint nicht mehr, die Pferde im Stall werden unruhig, das Wetter schlägt wiederholt blitzartig um. Der Planet fliegt zunächst – sehr zu Claires Beruhigung - an der Erde vorbei, doch am Himmel geschieht Seltsames…

Kritik:

Bereits die achtminütige Ouvertüre zu Wagners „Tristan & Isolde“, die die artifiziellen, fast schon an Terrence Malick erinnernden, malerisch schönen Zeitlupenaufnahmen der Hauptfiguren und zentralen Szenen der nachfolgenden Filmhandlung untermalen, demonstriert, dass Lars von Trier mit „Melancholia“ ein visuell ungewohnt zugängliches Werk geschaffen hat, in dem die großartig von Kirsten Dunst („Interview mit einem Vampir“, „Spider-Man“) dargestellte Justine wie ein Alter ego des depressiven Regisseurs wirkt. Sie stellt den Dreh- und Angelpunkt in einer Welt dar, die nicht nur durch die Bedrohung eines Planeten aus den Fugen gerät, der eventuell mit der Erde kollidiert, sondern auch durch Justines Arbeits- und Familienumfeld schwer zu ertragen ist. 
Auch wenn die prominent besetzten Nebenrollen nah am Klischee gezeichnet sind, veranschaulicht die pompöse Feier doch die öden Traditionen und Rituale, denen sich Justine aus verständlichen Gründen so oft wie möglich entziehen will. Am Ende erscheint es, als sei Justine die Einzige, die wirklich versteht, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht. Und dieses monumentale Ereignis hat von Trier in dramatische, eindrucksvolle Bilder gegossen.

Kommentare

Beliebte Posts