Liebe und Gewalt

Der polnische Filmemacher Andrzej Żuławski, der nach dem Verbot seines zweiten Films „Diabel“ (1972) ins Exil nach Frankreich ging, machte zunächst mit seinen beiden provokativen Dramen „Nachtblende“ (1975) und „Possession“ (1981) auf sich aufmerksam, bevor er sich ganz darauf konzentrierte, nackte weibliche Schönheiten in einem vornehmlich künstlerisch ambitionierten Sujet zu präsentieren. Nachdem er die französische Erotikdarstellerin Valérie Kaprisky („Atemlos“) in „Die öffentliche Frau“ (1984) zur Schau stellte, wurde die damals 18-jährige Sophie Marceau nicht nur die Geliebte des bereits 44-jährigen Filmemachers, sondern auch dessen bevorzugte Darstellerin. So verhalf Zulawski dem „La Boum“-Star, den beabsichtigten Image-Wechsel von einer liebreizenden Teenagerin zu einer leidenschaftlichen Frau herbeizuführen. Ihren ersten gemeinsamen Film realisierten sie 1985 mit dem lose auf Dostojewskis „Der Idiot“ basierenden Drama „Liebe und Gewalt“, der hierzulande irreführend auch unter dem Titel „Meine Nächte sind schöner als deine Tage 2“ vermarktet wurde, obwohl das Original erst 1989 in die Kinos kam. 

Inhalt: 

Nach einem gelungenen Banküberfall reist Micky (Tchéky Karyo) mit seinen Gangsterbrüdern von Budapest nach Paris zurück. Im Zug lernt er den geistig minderbemittelten Léon (Francis Huster) kennen, der gerade aus einer Nervenheilanstalt entlassen wurde und behauptet, der Nachkomme eines ungarischen Prinzen zu sein. In der französischen Hauptstadt hofft Léon seine Verwandten zu finden. In Paris angekommen, will sich Micky an den Venin-Brüdern rächen, die sein Mädchen, die 16-jährige Prostituierte Mary (Sophie Marceau), in ihre Gewalt gebracht haben. 
Das Paar wird durch einen gemeinsamen Wunsch nach Rache an den Brüdern Venin zusammengehalten, die Marys Mutter töteten und Mickys Vater ins Zuchthaus beförderten. Léon folgt Micky und dessen Männern zum Aufenthaltsort der Gangster und verliebt sich auf den ersten Blick in Mary, als sie ihnen die Tür öffnet. Fortan wird er von dem Bedürfnis angetrieben, seine Angebetete immer häufiger zu sehen; Marys Interesse beschränkt sich jedoch weitgehend auf die Befriedigung ihrer Rache, die durch eine unerwartete Kettenreaktion das Leben zahlreicher Menschen gefährden wird. Mickey und seine Komplizen sind permanent auf der Flucht; sie schreien, sie schießen, sie kopulieren und sie liefern sich halsbrecherische Auto-Verfolgungsjagden… 

Kritik: 

Nachdem Sophie Marceau 1984 in Alain Corneaus Kriegsdrama „Fort Saganne“ neben Gérard Depardieu, Philippe Noiret und Catherine Deneuve ihre erste ernsthafte Filmrolle verkörpert hatte, läutete Zulawskis „L’Amour braque“ ein Jahr später einen bedeutenden Imagewechsel der attraktiven Französin ein und stellte nicht nur ihre betörende Nacktheit zur Schau, sondern demonstrierte auch, dass die junge Marceau auch das Zeug zu einer überzeugenden Darstellerin dramatischer Stoffe besitzt. Allerdings hat sich Zulawski im Verlauf seiner Karriere zunehmend von konventionellen Erzähltechniken entfernt. Von „Nachtblende“ über „Possession“ bis zu „Liebe und Gewalt“ fällt das narrative Gerüst immer mehr zusammen, bildet nurmehr den rudimentären Rahmen für eine bizarre Gewalt- und Sex-Orgie. 
„Liebe und Gewalt“ handelt vornehmlich von der rivalisierenden Liebe zwischen Micky und Mary auf der einen und Léon und Mary auf der anderen Seite. Mit von der Partie ist auch die schöne Aglaé (Christiane Jean), die ebenfalls als Prostituierte arbeitende Tochter von Léons Tante. Aglaé versucht sich nicht nur als Theaterschauspielerin, sondern versucht auch, Léon im Bordell zu verführen. So wechselt Zulawski fortwährend die Szenerien, wechselt zwischen Betten, auf denen sich die Figuren in wechselnden Konstellationen wälzen, wilden Schießereien und Verfolgungsjagden bis zur Theaterbühne, auf der sich am Ende auch Sophie Marceau präsentieren kann. Léon darf zwar als Dostojewskis Idiot angesehen werden, doch sonst bleiben die Bezüge zu der Romanvorlage eher dürftig. Dazu sorgen unkonventionelle Kameraperspektiven, expressives Schauspiel und ein durchgehend hohes Tempo dafür, dass man als Zuschauer angesichts dieser Tour de force eher erschöpft und ratlos zurückbleibt.

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