The Grandmaster

Bereits 1994 präsentierte der für seinen Perfektionismus bekannte Hongkonger Autorenfilmer Wong Kar-Wai („Fallen Angels“, „In the Mood for Love“) mit „Ashes of Time“ einen Martial-Arts-Film, doch statt satter Action inszenierte Kar-Wai eine Geschichte über Einsamkeit, Sehnsucht und Rache, die mit einigen stark ästhetisierten Kampfszenen aufgepeppt wurde. Mit „The Grandmaster“, dem Eröffnungsfilm der Internationalen Filmfestspiele in Berlin von 2013, verhält es sich ganz ähnlich, auch wenn die Tradition des Kung-Fu etwas mehr im Vordergrund steht als die Liebe, die sonst in allen Filmen von Wong Kar-Wai das beherrschende Thema darstellt.

Inhalt:

China 1936: Der aus dem Süden Chinas stammende, glücklich mit Zhang Yongcheng (Song Hye-kyo) verheiratete und aus einer wohlhabenden Handelsfamilie stammende Kung-Fu-Meister Ye Wen (Tony Leung Chiu-wai) trifft in seinem Heimatort Foshan erstmals auf Gong Er (Zhang Ziyi), eine Kung-Fu-Meisterin aus dem Norden des Landes, als ihr Vater Gong Baosen (Wang Qingxiang), Meister des Bagua sowie des Xingyi und führender Vertreter der Kampfkunstschulen Nordchinas, den Süden besucht, um seinen Abschied als Meister zu verkünden. 
Sein bester Schüler Ma San (Jin Zhang), der es im Xingyi zu hoher Meisterschaft gebracht hat, soll sein Nachfolger werden. Gong wünscht einen letzten Schaukampf gegen einen ebenbürtigen Vertreter der südlichen Schulen. Der im Norden unbekannte Ye Wen wird einstimmig von den südlichen Meistern auserwählt. Der Kampf soll im traditionsreichen „Goldenen Pavillon“ stattfinden. Der bislang ungeschlagene Gong fordert Ye Wen in einem eher philosophischen Zweikampf auf, einen Kuchen zu zerbrechen. Ye Wen gelingt dies und zeigt dabei, dass seine Vision weiter geht als die des alten Meisters. Die Bagua-Meisterin Gong Er sieht dadurch die Ehre ihrer Familie verletzt und fordert Ye Wen beim Siegerbankett zum Zweikampf. Ye Wen sichert Gong Er den Sieg zu, sollte er ein Möbelstück beschädigen. Er verliert infolgedessen den ballett-ähnlichen Kampf, als eine Stufe unter seinem Fuß zerbricht. Während des Kampfes entdecken die beiden Kontrahenten Gefühle füreinander, die sie sich allerdings nicht zugestehen und deshalb auch nicht ausleben. 
Als 1937 der Krieg zwischen Japan und China ausbricht und 1938 auch Foshan erreicht, weigert sich Ye Wen, mit den japanischen Besatzern zu kollaborieren, worauf seine Familie zunehmend verarmt und seine Töchter sterben. Ma San hingegen kooperiert und zieht so den Unmut seines Meisters Gong Baosen auf sich, der ihm das Vermächtnis der Familie wieder entziehen will. In seinem Zorn verletzt Ma San seinen Lehrer Gong tödlich. 
Obwohl ihr Vater vor seinem Tod ausdrücklich keine Vergeltung zuließ, verschreibt sich Gong Er ganz der Rache. Sie löst ihre Verlobung und legt einen Schwur ab, der ihr verbietet, jemals zu heiraten, Kinder zu bekommen oder zu unterrichten. Ye Wen versucht währenddessen in Hongkong als Martial-Arts-Lehrer Fuß zu fassen. Im Jahr 1950 lebt Gong mittlerweile ein ruhiges Leben als Ärztin, als Ye Wen sie besucht, um die Kunst der 64 Hände, die nur sie beherrscht, noch einmal zu sehen…

Kritik:

Bereits 2008 wurde mit „IP Man“ der Anfang gemacht, die Geschichte des berühmten Kung-Fu-Lehrers IP Man (im Film wird hochchinesische Pinyin-Aussprache Ye Wen verwendet), der auch Bruce Lee ausbilden sollte, zu erzählen. Für Wong Kar-Wai dient die Biografie des außergewöhnlichen Kung-Fu-Kämpfers/Lehrers allerdings nur als Rahmen, um eine wieder mal unmögliche Liebesgeschichte zu erzählen. Zwar geht Kar-Wai dabei – bis auf eine wesentliche Rückblende – chronologisch vor und blendet als Orientierung immer wieder datierte Schrifttafeln ein, die Wendepunkte und wichtige Ereignisse im Krieg zwischen Japan und China thematisieren, doch zeigt er sich wenig daran interessiert, alle Stationen in Ye Wens Leben abzureißen. 
Und auch wenn „The Grandmaster“ mit einer beeindruckenden Kampfszene beginnt, in der IP Man im Regen eine ganze Schar von Gegnern zunichtemacht, ohne auch nur seinen weißen Hut zu verlieren, dienen die auch nachfolgend kunstvoll in Zeitlupe inszenierten Martial-Arts-Szenen vor allem dazu, die Anmut und Perfektion der verschiedenen Stile des Kung-Fu zu demonstrieren. Vor allem der erste, teils in extremer Zeitlupe gefilmte Kampf zwischen IP Man und Gong Er wirkt dabei wie ein Tanz zwischen zwei Liebenden. Zwar kommen sich die beiden naturgemäß sehr nahe, aber die hier erwachenden Gefühle bleiben in den jeweiligen Herzen der Kontrahenten verschlossen. 
So stellt „The Grandmaster“ ein emotional vielschichtiges, melancholisch-sinnliches Drama dar, das sich auch Zeit für andere Figuren als IP Man nimmt. So stellt der Kampf zwischen Gong Er und Ma San am schneebedeckten Bahnsteig vor einem vorbeifahrenden Schnellzug sogar einen der Höhepunkte des Films dar, der wie gewöhnlich wunderbar – diesmal ausnahmsweise von Philippe Le Sourd („Sieben Leben“, „Ein gutes Jahr“) - fotografiert und von Shigeru Umebayashi und Nathaniel Méchaly stimmungsvoll musikalisch untermalt worden ist.

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