„Nymphomaniac: Teil 2“
Mit seinem Arthouse-Porno „Nymphomaniac: Teil 1“
(2013) sorgte das dänische Enfant terrible einmal mehr für die beabsichtigte
Publicity, präsentierte er doch eine faszinierende Charakterstudie einer großartig
von Stacy Martin und Charlotte Gainsbourg portraitierten Nymphomanin,
die einem allseits gebildeten älteren Mann ihre Lebensgeschichte erzählt. Dabei
sparte von Trier nicht an expliziten Sex-Szenen, doch ging es tatsächlich eher
darum, wie die Sexsüchtige selbst mit ihren besonderen Gelüsten umging. Mit dem
unmittelbar nachfolgenden dreistündigen „Nymphomaniac: Teil 2“ wird das Drama
nahtlos fortgesetzt und fordert vom Publikum noch stärkere Nerven ab.
Inhalt:
Nachdem der alternde Seligman (Stellan Skarsgård) die
misshandelte Joe (Charlotte Gainsbourg) von der Straße aufgelesen und ihr
daheim ein Bett zum Ausruhen bereitgestellt hat, hört er sich weiterhin Joes
Lebensgeschichte an, nachdem er ihr gestanden hat, dass er selbst noch nie Sex
gehabt habe und sich als asexuell betrachte. Joe erzählt, wie sie mit Jerôme (Shia
LaBeouf), der sie im Alter von 15 Jahren entjungfert und Jahre später als
Aushilfssekretärin eingestellt hatte, zusammenzieht und ein Kind bekommt. Doch
Jerôme kann Joes unersättlichem Verlangen nach Sex nicht mehr standhalten und
bietet ihr frustriert an, sich bei Bedarf auch Sex bei anderen holen zu können,
damit sie seinetwegen nicht auf ihre Lust verzichten muss. Doch als Joe auf
dieses Angebot eingeht, wird er immer eifersüchtiger. Joe bekommt schon längst
keinen Orgasmus mehr beim Sex, empfindet in ihren unteren Regionen nichts. Da
hilft auch kein Dreier mit zwei Schwarzen in einem billigen Hotelzimmer. Erst
der Besuch bei dem Sadisten K (Jamie Bell), der sein „Studio“ fast im
Stil einer Arztpraxis betreibt, lässt sie mit Peitschenhieben und harten
Schlägen ins Gesicht wieder Lust empfinden. Jerôme stellt Joe am
Weihnachtsabend vor ein Ultimatum: Sollte sie an diesem Abend wieder fortgehen,
würde sie ihn und ihren gemeinsamen Sohn Marcel nie wiedersehen. Joe geht, aber
da sich auch Jerôme nicht um Marcel kümmern kann, kommt das Kind in eine
Pflegefamilie. Joe bricht die Besuche bei K ab, wird allerdings von einem der
Männer, mit denen sie ungeschützt geschlafen hat, schwanger. Entnervt von den
Ärzten und Psychologen, die ihr den Prozess der Abtreibung erschweren,
veranlassen Joe dazu, den Fötus selbst unter großen Schmerzen zu entfernen.
Auf der Suche nach einem neuen Job landet sie bei dem
Geschäftsführer (Willem Dafoe) eines Inkasso-Unternehmens, der ihr rät,
sich mit zwei schlagkräftigen Männern als Gehilfen selbständig zu machen und
dann mit der jungen P (Mia Goth) eine Nachfolgerin zu rekrutieren und
einzuarbeiten. Doch das verläuft anders als geplant, läuft Joe doch bei einem
ihrer Aufträge erneut Jerôme über den Weg…
Kritik:
Nachdem bereits der 1. Teil von „Nymphomaniac“ dem
Publikum einiges abverlangt hat, dringt es zusammen mit Joes geduldigen Zuhörer
Seligman weiter in die zerstörerische Sucht, die die Protagonistin in immer
wüstere Abgründe führt. Was anfänglich noch harmlos mit einem ungeplanten
Dreier mit zwei Schwarzen anfängt, die sich darüber streiten, wer vorne und wer
hinten reindarf, entwickelt sich zu einer schmerzlichen Spirale von Schmerzen,
Demütigungen und Verletzungen, von denen sicherlich die Bilder von der selbst
durchgeführten Abtreibung mit der Zuschaustellung des ausgeschabten Fötus bereits
die Grenze des Zumutbaren erreichen.
So provokativ und verstörend diese Bilder, auch die des
Auspeitschens und der aus der jahrelangen Überbeanspruchung resultierenden blutenden
Klitoris, natürlich sind, dienen sie doch nur der Illustration des Leidens, das
gemeinhin mit körperlichen Süchten verbunden ist. Da das Sexuelle nun mal untrennbar
mit jeder Persönlichkeit verbunden ist, scheint eine Sexsucht besonders schwer
in den Griff zu bekommen zu sein. Dadurch, dass von Trier zu Beginn des
2. Teils Seligman als asexuelle Jungfrau outet, könnten die Gegensätze zwischen
der Erzählerin und dem Zuhörer nicht größer sein. Vielleicht mache ihn gerade
dieser Umstand zu dem perfekten Zuhörer, wie Seligman angesichts Joes
Verwunderung, dass er sie für ihre Sucht nicht verurteile, anmerkt.
Wenn Seligman am Ende philosophiert, dass Joe, wäre sie ein
Mann, für ihr Verhalten gewiss nicht verurteilt würde, weitet das den Interpretationsraum
von „Nymphomaniac“ enorm. Doch so überragend Charlotte Gainsbourg,
die im ersten Teil fast ausschließlich als Erzählerin zu sehen war und deren ihr
jüngeres Ich verkörpernde Stacy Martin die Sex-Parts übernahm, in ihrer
jetzt aktiveren Rolle in den Rückblenden auch ist, so verliert die Geschichte
über drei Stunden doch deutlich an Fahrt und Interesse.
Am Ende bleibt, bezieht man den 1. Teil mit in die
Betrachtung ein, eine vielschichtige Charakterstudie, die deutlich mehr Fragen
aufwirft als sie zu beantworten.
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