Der Mann, der die Frauen liebte
François Truffaut, prominenter Wegbereiter der Nouvelle Vague, hatte bereits mit dem Schauspieler Jean-Pierre Léaud ein Alter ego etabliert, der die Hauptrolle in Truffauts bekannten Antoine-Doinel-Zyklus verkörperte. In späteren Jahren nahm schließlich Charles Denner diese Rolle ein, den Truffaut zunächst in seinem Noir „Die Braut trug schwarz“ (1967) mit einer Nebenrolle bedacht hatte und in „Der Mann, der die Frauen liebte“ die Hautrolle eines Mannes einnahm, der fast wahllos Frauen verführte – wenn sie nur schöne Beine hatten.
Inhalt:
Bertrand Morane (Charles Denner) arbeitet in Montpellier in einem Labor, in dem er mit kleinen Flugzeug- und Schiffsmodellen Versuche durchführt, doch sobald er sich seines Kittels entledigt hat, hat er nur noch Augen für Frauen, die er bevorzugt in einem Restaurant ausfindig macht, aber auch auf der Straße. Als er beispielsweise in einer Reinigung die schönen Beine einer Kundin erfasst, läuft er der Frau hinterher, kann sich aber nur noch das Kennzeichen ihres Autos aufschreiben, mit dem die Unbekannte davonfährt.
Über die hilfsbereite Mitarbeiterin der zuständigen Mietwagenfirma bekommt er die Adresse der vermeintlichen Fahrerin, nur um beim mühevoll arrangierten Rendezvous festzustellen, dass die Beine nicht zu ihr, sondern zu deren Cousine gehören, die bereits auf dem Rückflug nach Montreal ist. Allzu enttäuscht ist Bertrand jedoch nicht. Er fährt stattdessen nach Montpellier zurück und verführt die blonde Mietwagen-Mitarbeiterin.
Als sich Bertrand mit der 41-jährigen Hélène (Geneviève Fontanel), die einen kleinen Laden für Damenunterwäsche führt, verabredet, muss er überraschenderweise einen Korb einstecken, weil sich Hélène grundsätzlich nur mit jüngeren Männern vergnügt. Dieses unerwartete Erlebnis inspiriert Bertrand dazu, ein Buch über seine unübersichtlich gewordenen Liebschaften zu schreiben, das er einem Verlag vorlegt, bei dem die männlichen Lektoren das Manuskript durchweg ablehnen, nicht jedoch Geneviève (Brigitte Fossey), die sich schließlich auch von Bertrand verführen lässt…
Kritik:
Auf den ersten Blick scheinen Truffaut und sein Alter Ego Bertrand nicht viel gemeinsam zu haben, wohl aber den durchaus chauvinistischen Blick auf Frauen, das fetischistische Begehren einzelner Körperteile, ohne die Frau als Ganzes wahrzunehmen, schon gar nicht ihr Innerstes. Um den „Mann, der die Frauen liebte“ zu portraitieren, lässt Truffaut in der Anfangsszene eine ganze Reihe unterschiedlicher Frauen zu Bertrands Begräbnis aufmarschieren.
In der Folge bekommen wir als Zuschauer in Rückblenden die Art und Weise präsentiert, mit der Bertrand reihenweise seine begehrten Lustobjekte verführt. Dabei ist dieser Mann alles andere als ein klassischer Schürzenjäger, der dick aufträgt und die Frauen mit Schmeicheleien rumkriegt. Bertrand ist ein eher zurückhaltender, höflicher Typ, der die Frauen nicht übermäßig bedrängt, aber offen mitteilt, was er an ihnen mag.
In weiteren Rückblenden wird auch deutlich, wie sich die Beziehung zu seiner Mutter auf sein eigenes Verhältnis zu Frauen ausgewirkt hat, wenn sie sich in seiner Gegenwart aufreizend kleidete, ihn aber völlig ignorierte. In der Beschreibung durch die Lektorin Geneviève, die als Erzählerin bereits die Szene auf dem Friedhof zu Beginn eröffnet, wird Bertrand Beziehung zu den Frauen als innerstes Verlangen charakterisiert, von dem er sich nie lösen konnte.
Am Ende ist „Der Mann, der die Frauen liebte“ nicht nur das Portrait eines Mannes mit einem unstillbaren Verlangen, sondern vor allem auch eine Verbeugung Truffauts vor dem weiblichen Geschlecht.
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