Der Leopard
Luchino Visconti hat sich in seiner langjährigen Filmkarriere nicht nur als Mitbegründer und Meister des italienischen Neorealismus etabliert, sondern immer wieder den Übergang, den Verfall und Revolutionen innerhalb menschlicher Gesellschaften thematisierte. 1963 verfilmte er mit „Der Leopard“ den 1958 posthum veröffentlichten Roman des sizilianischen Prinzen und Literaturwissenschaftlers Giuseppe Tomasi di Lampedusa mit Burt Lancaster, Alain Delon und Claudia Cardinale in den Hauptrollen.
Inhalt:
Sizilien im Jahr 1860. Der Fürst von Salina (Burt Lancaster) betet während der Hausandacht mit dem Priester Pirrone (Romolo Valli), Salinas Frau Fürstin Maria Stella (Rina Morelli), seinen drei Töchtern Carolina (Ida Galli), Concetta (Lucilla Morlacchi) und Caterina (Ottavia Piccolo), seinen beiden Söhnen und des Fürsten Großneffe Tancredi Falconeri (Alain Delon), in den Concetta verliebt ist. Doch die Zeremonie wird von lauten Stimmen gestört, die von dem Auffinden eines toten Soldaten in der Nähe der fürstlichen Residenz künden, der auf der Seite des italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi gekämpft hatte.
Garibaldi war mit seinen Gefolgsleuten in Sizilien gelandet, um die unbeliebte Fremdherrschaft der Bourbonen in Süditalien zu beenden. Don Fabrizio ahnt im Gegensatz zu vielen anderen Adeligen seiner Zeit, dass das Bürgertum über kurz oder lang die Aristokratie ersetzen wird, während sich an der Oberfläche der Gesellschaft nicht viel verändern werde. Sein aus altem Adel stammender, aber verarmter Lieblingsneffe Tancredi schließt sich den Aufständischen an und wird nach einer leichten Verletzung bei Gefechten in Palermo zum Hauptmann in Garibaldis Armee befördert.
Während die Revolutionäre gesiegt haben, bezieht Don Fabrizio mit seiner Familie sein Sommerdomizil in dem Dorf Donnafugata. Don Calogero Sedara (Paolo Stoppa), der wichtigste Bürger des Dorfes und ein umtriebiger Geschäftsmann, hat besonders von der Revolution profitiert und reißt sich Güter und Grundstücke in der Umgebung unter den Nagel. Er stellt seine außergewöhnlich schöne Tochter Angelica (Claudia Cardinale) der Familie Salina vor. Sofort verliebt sich Tancredi in sie und selbst der Fürst ist ganz von ihrem Charme eingenommen. Don Calogero nutzt die Chance, seine Tochter in die Aristokratie aufsteigen zu lassen, und schon bald macht Tancredi Angelica einen Heiratsantrag, dem Don Fabrizio zustimmt.
In einer Volksabstimmung wird beschlossen, dass das Königreich Sizilien aufgelöst und dem neugegründeten Königreich Italien als konstitutionelle Monarchie unter König Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont angeschlossen werden soll. Nach der einstimmigen Abstimmung erhält der Fürst unterdessen durch den Abgesandten Chevalley (Leslie French) ein Angebot der Regierung, Mitglied des italienischen Senats zu werden und bei der Erneuerung der Gesellschaft mitzuarbeiten. Mit einer Mischung aus Melancholie und Illusionslosigkeit erklärt Fabrizio, dass die Löwen und Leoparden abtreten und nach ihnen die Hyänen und Schafe kommen würden. Der inzwischen gealtert wirkende Aristokrat schließt die Möglichkeit eines Fortschritts für Sizilien aus und lehnt eine politische Mitarbeit ab…
Kritik:
Visconti hat mit seinem dreistündigen Epos „Der Leopard“ eine prachtvoll inszenierte Mischung aus Sittengemälde, Familiengeschichte und Historienfilm kreiert, die in opulenten Cinemascope-Bildern den Niedergang alter Traditionen und die opportunistischen Tendenzen einer neuen Gesellschaftsordnung thematisieren. Burt Lancaster, der zuvor vor allem in Western und Kriminalfilmen zu sehen war, glänzt als alternder Patriarch, der die Zeichen der Zeit durchaus erkennt und mit dem Strom der Veränderung schwimmt, um seine Familie so schadlos wie möglich zu halten.
Die Revolution selbst fangen Visconti und sein Kameramann Giuseppe Rotunno („Rocco und seine Brüder“, „Fellinis Roma“) nur in einer längeren Sequenz ein, wenn die rot uniformierten Revolutionstruppen auf dem Vormorsch durch Palermo sind, ansonsten spielt sich das Geschehen meist auf den luxuriösen Landsitzen von Don Fabrizio ab.
Besonders in der 40 Minuten andauernden Schlusssequenz auf dem Ball wird die Ablösung der alten Gesellschaftsordnung durch die Monarchie besonders deutlich, wenn der alternde Don mit der schönen Angelica tanzt und sein opportunistischer Neffe sich der königlichen Armee angeschlossen hat. Wenn Don Fabrizio mit melancholischem Blick auf ein Gemälde starrt, in dem der Tod thematisiert wird, und dann langsam durch die Ballgesellschaft streift, fängt Visconti das ganze Lebensgefühl des Fürsten ein. Burt Lancaster, mit dem Visconti später noch „Gewalt und Leidenschaft“ realisieren sollte, überzeugt mit einer wahrhaft aristokratischen Performance, während Alain Delon und Claudia Cardinale als frisch verliebtes Paar vor allem Schönheit und Lebensfreude ausstrahlen. Nino Rotas opulente Musik, die prachtvollen Kulissen und die beeindruckend eingefangene sizilianische Landschaft machen „Der Leopard“ zu einem Fest der Sinne.
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