Widows - Tödliche Witwen
Mit so unterschiedlichen Filmen wie „Shame“, „Hunger“ und „12 Years a Slave“ hat sich der afroamerikanische Filmemacher Steve McQueen zu einem der angesagtesten Filmemacher in den vergangenen Jahren gemausert, hat er es doch stets verstanden, so kontroverse Themen wie Sexsucht, Folter und Rassismus in unterhaltsame Geschichten zu verpacken, ohne die Problematik der Themen kleinzureden. Mit seinem Thriller-Drama „Widows – Tödliche Witwen“ ist es McQueen gelungen, gleich mehrere seiner Themen in einem packenden Heist-Thriller unterzubringen.
Inhalt:
Veronica (Viola Davis) genießt mit ihrem Mann Harry Rawlings (Liam Neeson) Chicago, Illinois, ein Leben im Luxus, das sich allerdings aus den Einbrüchen finanziert, die Harry mit seiner aus Florek (Jon Bernthal), Carlos (Manuel Garcia-Rulfo) und Jimmy Nunn (Coburn Goss) bestehenden Crew organisiert. Doch dann werden sie nach einem ihrer Brüche von der Polizei verfolgt, Florek wird angeschossen, ihr Van in einer Lagerhalle unter Beschuss genommen, bis er in die Luft fliegt und die Crew wahrscheinlich nur noch anhand ihrer Zähne identifiziert werden kann.
Veronica steht nun vor dem Nichts, denn wie sie sehr schnell erfährt, hat Harry dem brutalen Gangster Jamal Manning (Brian Tyree Henry) zwei Millionen Dollar geschuldet, die innerhalb einer Woche für ihn auftreiben soll.
Als sie an das Notizbuch kommt, das Harry ihr hinterlassen hat, stößt sie auf minutiöse Aufzeichnungen von vergangenen wie geplanten Coups, also beschließt sie kurzerhand, einen großen Coup, an dem Harry vor seinem Tod lange herumgetüftelt hatte, einfach selbst durchzuführen und sich mit der Beute endlich Jamal und den berüchtigten Geldeintreiber Jatemme (Daniel Kaluuya) vom Hals zu schaffen. Helfen sollen ihr dabei die Frauen von Harrys Kollegen, die ebenfalls bei dem Unglück ums Leben kamen. Die Witwen Linda (Michelle Rodriguez) und Alice (Elizabeth Debicki) lassen sich auf den gefährlichen Plan ein und engagieren mit Friseurin Belle (Cynthia Erivo) eine zuverlässige Fluchtwagenfahrerin. Mit ihrem Coup geraten sie in das Kreuzfeuer der beiden Konkurrenten um das Amt des Stadtrats.
Nachdem Tom Mulligan (Robert Duvall) nach einem Herzanfall sein Amt aufgeben musste, soll bei den vorgezogenen Wahlen sein Sohn Jack (Colin Farrell) die Familientradition aufrechterhalten, der – um seinen Wahlsieg abzusichern - seinen schwarzen Konkurrenten Jamal Manning ausschalten wollte, indem er Harry und seine Crew Mannings Wahlkampfkasse plündern ließ…
Kritik:
Der Plot zu Steve McQueens „Widows“ – der übrigens auf einer britischen Mini-Serie aus den 80ern und 2002 basiert – hört sich zunächst wie ein mehr oder weniger klassisches Heist Movie an, nur dass Frauen in die Rolle der Männer schlüpfen, die bei ihrem letzten Job fürchterlich versagt und ihre Frauen entweder mit Nichts oder mit Schulden hinterlassen haben. Es könnte sich bei „Widows“ also um einen ungewöhnlichen Emanzipationsfilm handeln, was er in gewisser Weise auch tut. Aber da nun mal Steve McQueen auf dem Regiestuhl sitzt, bekommt das Publikum natürlich viel mehr geboten.
Das Thema Rassismus fließt gleich auf mehreren Ebenen in die Handlung ein. Was erst so harmonisch mit den Zärtlichkeiten zwischen der Schwarzen Veronica und dem Weißen Harry auf ihren feinen Laken im Luxus-Apartment den Anschein erweckt, dass in der Liebe die Hautfarbe keine Rolle spielt, wird durch die skrupellosen Auseinandersetzungen im vorgezogenen Wahlkampf um das Amt des Stadtrats im heruntergekommenen 18. Bezirk wieder in die richtige Perspektive gerückt.
Der altgediente Tom Mulligan erweist sich als waschechter Rassist, wovon sich sein Sohn zwar deutlich distanziert, doch wenn er damit wirbt, unterprivilegierte Frauen zu ihren eigenen Geschäften zu verhelfen, verschweigt er, dass er selbst einen ordentlichen Batzen von ihren Umsätzen abkassiert. Auf der anderen Seite kennt sein schwarzer Konkurrent Jamal Manning auch keine Hemmungen, das gestohlene Geld mit allen Mitteln zurückzuholen.
Insofern taucht McQueen mit seinem Film tief in die gesellschaftliche Struktur einer Millionenstadt ein, entlarvt Korruption, Rassismus, Gier nach Macht, Geld und Sex. Leider bleibt bei so vielen Themen die Figurenzeichnung gerade der im Vordergrund stehenden Frauen etwas zu skizzenhaft. Die Planung und Durchführung des Coups wird nur oberflächlich abgehandelt, die durch den Tod ihrer Männer veränderten Lebensverhältnisse nur kurz umrissen. Doch dank des großartigen, souverän von Viola Davis („The Help“, „Fences“) angeführten Ensembles, der unaufdringlichen Musik von Hans Zimmer, der straffen Inszenierung und der stimmungsvollen Bilder von Sean Bobbitt („Am Strand“, „Der Spion“) ist „Widows“ ein ungewöhnlich gesellschaftskritischer Heist-Thriller mit coolen Charakteren.
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