2046

Mit „In the Mood for Love“ (2000) hat der Hongkonger Autorenfilmer Wong Kar-Wai nicht nur den „ultimativen Liebesfilm“ (so der Untertitel im deutschen Verleih) präsentiert, sondern auch eine überraschend lineare und fokussierte Narration gefunden. Vier Jahre später folgte mit „2046“ fast eine Art Fortsetzung, verkörpert Tony Leung Chiu-wai doch erneut die aus dem Vorgängerfilm bekannte Figur des Journalisten Chow Mo-wan. Und doch ist „2046“ ein ganz anderer Film geworden.

Inhalt:

Der Schriftsteller Chow Mo-wan (Tony Leung Chiu-wai) schreibt im Hongkong der 1960er Jahre an einem Roman mit dem Titel 2046, dessen Welt zwar erfunden, aber randvoll mit persönlichen Erfahrungen ist. 2046 steht gleichermaßen für ein Jahr und einen Ort. Wer dorthin reist, um nach verlorenen Erinnerungen zu suchen, wird feststellen, dass alles unverändert bleibt. Doch niemand ist bisher von diesem Ort zurückgekehrt, um das zu bestätigen.
Während Chow auf der einen Seite gedanklich mit einer fiktiven Affäre in der Zukunft spielt, kommen längst vergangene, unerfüllt gebliebene Liebesbeziehungen in ihm zum Vorschein, denen er sich nach all den Jahren stellen will und nun gewichtiger Teil seines Buches werden. Seine große Einsamkeit bringt geheimnisvolle, schöne und traurige Geschichten zum Vorschein, von denen schon bald nicht mehr klar ist, was nun Erinnerung oder was Fantasie ist. Chow wohnt im Oriental Hotel in Zimmer 2047, Wand an Wand mit Zimmer 2046, in das er eigentlich einziehen wollte, das aber noch renoviert werden musste. Durch die dünne Wand hört er die Tanz­schritte der Hote­lier­s­tochter Wang Jing-wen (Faye Wong). Chow erinnert sich an verschiedene Weih­nachts­feste im Verlauf der letzten Jahre und die drei wichtigsten Frauenbekanntschaften, die jeweils an diesem Tag endeten. Mit der Nachtclub-Tänzerin Lulu/Mimi (Carina Lau), mit der Prosti­tu­ierten Bai Ling (Ziyi Zhang) und mit der Hote­lier­s­tochter. Der Playboy trifft sich aber auch mit anderen Frauen, was Bai Ling eifersüchtig macht. Sie will eine feste Beziehung, woraufhin er sich aber nicht einlässt und sie sich trennen.

Chow verliert nur wenige Gedanken daran, was er für die drei Frauen empfindet…

Kritik:

Auch wenn Tony Leung Chiu-wai erneut in der Rolle des Chow Mo-wan zu sehen ist, verkörpert er doch einen ganz anderen Mann als in „In the Mood for Love“. War er dort nicht bereit, sich auf eine Beziehung mit Su Li-zhen (Maggie Cheung) einzulassen, die ebenso wie er selbst von ihrem Ehepartner betrogen worden ist, hat sich in „2046“ das Blatt komplett gewendet. Aus dem Journalisten wird nun ein Romanautor, dessen Science-Fiction-Roman mit dem Titel 2046 sich allerdings recht komplex auf der Handlungs- und Beziehungsebene gestaltet und immer wieder mit der eigentlichen Filmhandlung durcheinandergerät. Vor allem ist aus dem zuvor so zurückhaltenden, zuvorkommenden und höflichen Mann ein Womanizer geworden, der sich auf keine feste Bindung mehr einlassen will, nachdem seine große Liebe nicht ausgelebt werden konnte. 
Wong Kar-Wai eröffnet „2046“ mit einem virtuos inszenierten Blick in die Zukunft. Wenn in dem grellleuchtenden, grellbunten Universum nur schemenhaft erkennbare Schnellzüge durch die Szenerie rasen, fühlt man sich an eine kompaktere Version von Luc Bessons „Das fünfte Element“ oder ein überbelichtetes Negativ von Ridley Scotts „Blade Runner“ erinnert. Aber auch die Szenen aus dem Hongkong der 1960er Jahre sind wie gewohnt von Christopher Doyle (und Pun Leung Kwan) grandios eingefangen und kreisen wie gewohnt um die Liebe, diesmal um den Verlust der einzig großen Liebe, die nicht durch andere Beziehungen wieder erlebt werden kann. 
Trotz der unübersichtlich verschachtelten Handlungsstränge und Beziehungsgeflechte macht „2046“ deutlich, wie schwer jeder Liebende sich mit seinen Gefühlen tut. Das ist im Vergleich zum Meisterwerk „In the Mood for Love“ unnötig kompliziert fragmentiert worden, doch das Gefühl von Trauer, Melancholie und Sehnsucht schwingt sich erhaben durch den ganzen Film.

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