Dancer in the Dark

Mit „Breaking the Waves“ (1996) hat Lars von Trier seinen bis dahin konventionellsten Film und den Start seiner „Golden Heart“-Trilogie vorgelegt, in der – wie in dem „Goldherz“-Märchen – Frauen im Mittelpunkt stehen, die sich auch von schweren Rückschlägen nicht entmutigen lassen, sehr großzügig mit ihrer Liebe umzugehen. Nach dem Dogma-Film „Die Idioten“ (1998) folgte 2000 mit „Dancer in the Dark“ der krönende Abschluss seiner Trilogie. 

Inhalt: 

Die Tschechin Selma Jezkova (Björk) ist in den 1960er Jahren mit ihrem Sohn Gene (Vladica Kostic) in die USA ausgewandert, weil sie dort die Musicals so liebt. Sie arbeitet zusammen mit ihrer mütterlichen Freundin Kathy (Catherine Deneuve) in einer Stanzfabrik und lebt in einem Wohnwagen auf dem Grundstück des Polizisten Bill Houston (David Morse) und dessen Frau Linda (Cara Seymour), die immer wieder auf Gene aufpasst, wenn Selma noch anderen Jobs nachgeht, um Geld für eine dringend nötige Operation bei Gene beiseitezulegen. 
Wie Selma selbst leidet ihr Sohn unter einer genetisch bedingten Augenkrankheit, die früher oder später zur Erblindung führt. Selma läuft unterdessen die Zeit davon. Sie hat erst etwas mehr als 2000 Dollar für die Operation gespart, während sich ihr eigenes Sehvermögen drastisch verschlechtert und ihr deshalb immer wieder folgenschwere Fehler an der Stanzmaschine unterlaufen. Etwas Abwechslung findet sie in der Theatergruppe, die gerade ein Musical einstudiert. 
Für den sympathischen Jeff (Peter Stormare), der in sie verliebt ist, hat Selma allerdings keine Zeit. Nachdem Bill Selma gebeichtet hat, das sein geerbtes Geld bereits aufgebraucht sei, Linda aber weiter wie verrückt einkaufe, so dass er seit Monaten die Hypotheken fürs Haus nicht mehr zahlen kann, lässt sich Selma nicht darauf ein, ihm ihre Ersparnisse zu „leihen“. 
Als Selma glaubt, dass Bill nach Hause gegangen sei, beobachtet er von der Tür ihres Wohnwagens aus, wie sie die Dose mit ihren Ersparnissen öffnet und nimmt sie bei nächster Gelegenheit an sich. Selma entdeckt den Diebstahl, nachdem sie von ihrem Vorarbeiter Norman (Jean-Marc Barr) gefeuert worden ist und sie ihre Abfindung von dreißig Dollar hineinlegen will. Sie geht zu den Nachbarn und will Bill zur Rede stellen, der seiner Frau nicht nur erzählt hat, dass Selma ihm nachgestellt habe, sondern sich auch weigert, Selma das gestohlene Geld zurückzugeben. Bei dem anschließenden Handgemenge löst sich versehentlich ein Schuss aus Bills Pistole, und da Bill selbst verletzt nicht von dem Geld lassen will, erschlägt Selma ihn kurzerhand. 
Bei der Gerichtsverhandlung lässt sie die Anklage durch den Staatsanwalt (Zeljko Ivanek) ohne Gegenwehr über sich ergehen und wird von der Jury zum Tode durch Erhängen verurteilt… 

Kritik: 

Eigentlich sollte Björk nur die Musik für Lars von Triers „Dancer in the Dark“ komponieren und arrangieren, doch dann konnte der dänische Filmemacher die isländische Sängerin davon überzeugen, ihre erste Hauptrolle in einem Spielfilm zu übernehmen. Das hat ebenso gut funktioniert wie zuvor bei Emily Watson in ihrem Leinwanddebüt bei „Breaking the Waves“. Beide Frauenfiguren sind durch einen unerschütterlichen Optimismus, einer Offenheit des Herzens, einer kompromisslosen Liebe gekennzeichnet und geraten dadurch in den Mahlstrom der Gesellschaft. 
Wie Emily Watsons Bess ist auch Björks Selma nicht egoistisch genug, um dem vorgezeichneten Schicksal und dem eigenen Untergang zu entgehen. Es geht in „Dancer in the Dark“ einmal mehr um das Eindringen des Fremden in eine eingeschworene Gemeinschaft. Was in „Breaking the Waves“ der Bohrinselarbeiter Jan gewesen ist, wird nun durch die Immigrantin Selma personifiziert, deren Dasein ganz auf ihre Liebe zu ihrem Sohn und zu amerikanischen Musicals ausgerichtet ist. Da bleibt für echte Freundschaften oder gar eine neue Liebesbeziehung kein Platz. 
Die Geschichte nimmt eine tragische Wendung, als Selma und Bill sich einander ihre Geheimnisse beichten und damit ihren eigenen Egoismus, ihr schlechtes Gewissen offenbaren. Bill vermag seiner Frau nicht erzählen, dass das Erbe aufgebraucht ist und er damit gescheitert ist, der Familie ein Zuhause zu geben. Und Selma muss sich eingestehen, dass sie ein Kind trotz des Wissens ausgetragen hat, dass es früher oder später erblinden wird, nur weil sie ein eigenes Baby in den Armen halten wollte. Aus dieser tragischen Konstellation entwickelt sich ein schier unglaublicher Plot, der nicht nur zu Bills tragischem Tod führt, sondern zu einer absurden Gerichtsverhandlung, in der Selma überhaupt keine Verteidigung erfährt. 
Wie im wahrsten Sinne unglaublich die Geschichte ist, wird immer wieder durch die Musical-Szenen deutlich, in denen Selma tragischen Wendungen in ihrem Leben einfach mit einem Lied und Tanzeinlagen begegnet. So ist Lars von Trier ein einfühlsames, doch auch merkwürdig entrücktes Drama gelungen, dessen Schluss noch lange nachwirkt. 

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