Die Freundinnen
Mit „Die Freundinnen“ präsentierte Michelangelo Antonioni
1955 seine erste Romanverfilmung. Im Vergleich zu seinen zunehmend erfolgreicheren
Nachfolgewerken „Der Schrei“ (1957), „Die mit der Liebe spielen“ (1960), „Die
Nacht“ (1961) und „Liebe 1962“ (1962), aber auch zu seinen ersten beiden Filmen
„Chronik einer Liebe“ (1950) und „Die Dame ohne Kamelien“ (1953) wirkt die
Verfilmung von Cesare Paveses Roman „Die einsamen Frauen“ ungewöhnlich
überfüllt und redselig.
Inhalt:
Die aus ärmlichen Verhältnissen in Turin aufgewachsene
Clelia (Eleonora Rossi Drago) kehrt in den 1950er Jahren in ihre Heimatstadt
zurück, nachdem sie in Rom in einem Modesalon gearbeitet hat und dort zur
Managerin und Geschäftsführerin aufgestiegen ist. Nun hat sie die Direktion
nach Turin geschickt, um dort eine Filiale zu eröffnen. Allerdings sind die
Umbaumaßnahmen noch längst nicht so fortgeschritten, wie sie sich das vorgestellt
hat, weshalb sie den Dekorateur Carlo (Ettore Manni) zunächst zur Rede stellt, dann
aber mit ihm zu flirten beginnt. Als sie eines Tages die noch sehr junge
Rosetta (Madeleine Fischer) nach einem missglückten Selbstmordversuch aus
Liebeskummer in dem benachbarten Hotelzimmer auffindet, gerät Clelia in eine
Clique von Frauen, die miteinander bekannt, zum Teil sogar miteinander
befreundet sind, sich aber weitgehend anöden. Sie sind klassische
Vertreterinnen des gehobenen Bürgertums – chic, wohlhabend und schrecklich
gelangweilt. Ihre innere Leere korrespondiert mit dem Leben, das sie führen und
dem sie offensichtlich weder entfliehen noch ändern können oder auch nur
wollen.
Das Leben dieser „Freundinnen“ besteht weitgehend aus
Klatsch und Flirts, aus Shoppen und Flanieren, Restaurant- und Barbesuchen, Modeschauen
und dem Durchblättern von Modezeitschriften. Es bilden sich innerhalb dieser
Freundinnen-Clique kleinere Grüppchen, die aber auch immer wieder
auseinanderbrechen, vor allem, wenn Männer ins Spiel kommen.
So verliebt sich der vom Erfolg verlassene Künstler Lorenzo
(Gabriele Ferzetti) in die junge Rosetta, was seine Frau Nene (Valentina
Cortese) allerdings gelassen zur Kenntnis nimmt.
Auch Clelia droht mehr und mehr wie die „Freundinnen“ zu
werden: Einen Flirt mit dem Dekorateur Carlo beendet sie überstürzt, weil sie
für sich konstatiert, dass dieser einfache Arbeiter nicht in „ihre Welt“ des
gesellschaftlichen Erfolgs und der Geschäftstüchtigkeit passen würde, weshalb
sie sich gegen eine Beziehung, Ehe und Kinder entscheidet, um stattdessen in
Rom ihre Karriere voranzutreiben…
Kritik:
Mit „Die Freundinnen“ feierte Antonioni nicht nur seinen
künstlerischen Durchbruch, sondern er konnte sich diesmal hinsichtlich seines
Lieblingsthemas, der Entfremdung des mondänen Menschen von sich selbst und
seiner Umwelt und sinnentleerten Beschäftigungen, gleich an einem ganzen Haufen
unglücklicher Menschen in der Großstadt austoben. Auch wenn die selbstmordgefährdete
Rosetta mit ihrem dramatischen Auftritt durch den Suizid-Versuche zunächst die
Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zieht, bemüht sich Antonioni um eine demokratische
Gewichtung der Figuren und ihrer Schicksale. Besser als der Filmtitel drückt
der Romantitel „Die einsamen Frauen“ das Schicksal der Frauen aus, die sich angesichts
fehlender emotionaler Bindungen mit oberflächlichen Beschäftigungen und losen
Beziehungen beschäftigen. Dabei muss der Filmemacher gar nicht in die Tiefe
gehen, die ohnehin nicht vorhanden ist, sondern fast wahllos scheint die Kamera
über die ziellos umherschwirrenden Figuren zu kreisen, die sich letztlich nur
für sich selbst interessieren und keiner Illusion nachhängen, das Glück in der
Liebe zu finden. Allerdings fällt die Inszenierung auch sehr geschwätzig aus, verliert sich in allzu vielen, austauschbaren Schauplätzen, die die innere Leere der Frauen allerdings zusätzlich betonen.
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