Killers of the Flower Moon
In seiner langjährigen Karriere hat der New Yorker Filmemacher Martin Scorsese unzählige Meisterwerke wie „Taxi Driver“ (1976), „Wie ein wilder Stier“ (1980), „Casino“ (1995), „Gangs of New York“ (2002) und „Departed: Unter Feinden“ (2006) in die Kinos gebracht, doch nach seiner dreistündigen Wall-Street-Satire „The Wolf of Wall Street“ (2013) ist es für den Meisterregisseur offenbar schwierig geworden, Budgets für ausufernde Filmepen bei den Studios in Hollywood aufzutreiben, so dass erst Netflix das dreieinhalbstündige Mafia-Epos „The Irishman“ (2019) finanzierte und dann Apple TV+ zusammen mit Paramount den Vertrieb des ebenso langen True-Crime-Dramas „Killers of the Flowers Moon“ verantwortete, das mit immerhin zehn Nominierungen bei der Oscar-Verleihung 2024 ins Rennen ging, aber letztlich leer ausging.
Inhalt:
Nachdem die amerikanischen Ureinwohner des Osage-Stammes von den britischen und französischen Kolonisten von der Ostküste vertrieben wurden, wies ihnen die US-Regierung schließlich Territorien zu, die jedoch mit jedem weiteren (erzwungenen) Umzug immer kleiner wurden, bis sie das Gebiet im späteren Bundesstaat Oklahoma, zum Spottpreis von 1,90 US-Dollar pro Hektar kauften und sich dort niederließen.
Als 1897 genau in diesem Gebiet Erdöl entdeckt wurde, wurden Osage von einem Tag zu den Menschen mit dem größten Pro-Kopf-Einkommen, denn in ihren Verträgen ließen sie klugerweise festschreiben, dass ihnen nicht nur das Land, sondern auch eventuell zu bergende Bodenschätze gehörten. Dementsprechend schnell stellte sich der Neid der Weißen ein, die nicht lange mit dem Vorwurf warteten, die Osage seien nicht in der Lage, mit dem plötzlichen Reichtum umzugehen. Deshalb verabschiedete der US-Kongress 1921 ein Gesetz, das besagte, dass die Gerichte für jeden Osage und jedem, der mindestens zur Hälfte von ihnen abstammte, einen Vormund ernennen mussten. Dieser sollte dann ihre Tantiemen und finanziellen Angelegenheiten verwalteten, bis sie ihre „Mündigkeit“ unter Beweis gestellt hatten. Die Vormunde wurden dabei von den Gerichten aus vor Ort lebenden weißen Anwälten oder Geschäftsleuten auserwählt und benannt. Ein System der Unterdrückung und Kontrolle, das dem kriminellen Missbrauch der Schlupflöcher zur eigenen Bereicherung Tür und Tor öffnete. In der Folge dieser Gesetzgebung kam es bis zum Jahr 1925 mindestens sechzig gewaltsame Morden an Mitgliedern der Osage, bei denen es stets darum ging, in den Besitz der Schürfrechte zu gelangen…
Rinderbaron William Hale (Robert De Niro) gibt sich in Fairfax als großer Freund und Unterstützer der Osage, hat aber bereits ein ausgeklügeltes System entwickelt, um an die gewinnträchtigen Schürfrechte und Anteile der Osage zu kommen. Er zieht im Hintergrund die Fäden für Ehen zwischen Weißen und Osage und sorgt nach der Eheschließung dafür, dass die Osage eines frühzeitigen Todes sterben, so dass das Erbe an den Weißen übergeht – sobald eventuelle Verwandte ebenfalls aus dem Verkehr gezogen worden sind. Als Hales Neffe Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) in den 1920er Jahren als Kriegsheimkehrer in das Reservat kommt, ist Hale mehr als erfreut, dass sich Ernest als Taxifahrer in seine Stammkundin Mollie (Lily Gladstone) verliebt und sie heiratet. Als nicht nur Mollies Mutter stirbt, sondern in rascher Folge auch ihre Schwestern und weitere Stammesmitglieder,
schickt Washington einen Ermittler (Jesse Plemons) des gerade gegründeten Bureau of Investigation (später ging daraus das FBI hervor) in die Gegend, um die Hintergründe der Morde aufzuklären. Gleichzeitig gerät Ernest immer mehr unter den Einfluss seines Onkels und schreckt dann auch nicht mehr davor zurück, seine eigene Ehefrau langsam zu vergiften…
Kritik:
Mit der Verfilmung von David Ganns 2017 veröffentlichten True-Crime-Bestseller „Killers of the Flower Moon. The Osage murders and the birth of the FBI“ (hierzulande ist das Buch unter dem Titel „Das Verbrechen: Die wahre Geschichte hinter der spektakulärsten Mordserie Amerikas“ erschienen) thematisiert Scorsese einmal mehr ein düsteres Kapitel der US-amerikanischen Geschichte, das allerdings - auch heute noch - exemplarisch für den Umgang skrupelloser Geschäftemacher/Generäle/Politiker mit unterdrückten Minderheiten steht. Denn Scorsese geht es überhaupt nicht um die Aufklärung der Verbrechen. Er lässt schon zu Beginn die Katze aus dem Sack, dass der Rinderbaron mit seinen Helfershelfern im großen Maßstab durch arrangierte Hochzeiten, Mord und Intrigen an den Reichtum der Osage gelangt, der ihm von Natur zusteht, wie er meint. In dieser präzisen Maschinerie verkörpert sein Neffe Ernest nur ein weiteres Bauernopfer, der später gar nicht mehr weiß, wie ihm geschieht. Dass er der Vereinbarung nachkommt, seine an Diabetes erkrankte Frau langsam zu vergiften, setzt ihm dann allerdings doch schwer zu.
Das Auftreten der Ermittler aus Washington und der Gerichtsprozess (mit John Lithgow und Brendan Fraser als gegnerische Anwälte) dient nur einem showmäßigen Epilog, der eigentlich nichts mehr zur Sache beiträgt. Doch bis dahin erleben wir einen diabolisch aufspielenden Robert De Niro und einen wieder einmal großartig spielenden Leonardo DiCaprio, der seiner tragischen Figur das richtige Maß an Freude, Verzweiflung, Ahnungslosigkeit und Liebe verleiht.
Als Meister der Inszenierung ist es Scorsese gelungen, sein dreieinhalbstündiges Epos nicht eine Sekunde langweilig wirken zu lassen. Die eindrucksvollen Bilder, das bis in die kleinsten Nebenrollen grandios besetzte Ensemble und Robbie Robertsons fragil-einfühlsame Musik machen „Killers of the Flower Moon“ zu einem weiteren Meilenstein in Scorseses Werksbiografie.
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