Das war der Wilde Westen

Keine Frage, Anfang der 1960er Jahre hatte der Western seine besten Zeiten bereits hinter sich. Der große John Ford hatte dem Genre mit Filmen wie „Faustrecht der Prärie“ (1946), „Rio Grande“ (1950), „Der schwarze Falke“ (1956), „Zwei ritten zusammen“ (1961) und „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ (1962) seinen Stempel aufgedrückt und beteiligte sich 1962 an dem Western-Epos „Das war der Wilde Westen“, das auf einer Artikelserie im „Life“-Magazin beruhend den ambitionierten Versuch unternahm, die Besiedelung des Wilden Westens bis zum Bau der Eisenbahn zu beschreiben. Unterstützt wurde er dabei von seinen Kollegen Henry Hathaway („Die vier Söhne der Katie Elder“, „Der Marshal“) und George Marshall („Jenseits Mombasa“, „Die teuflische Intrige“). 

Inhalt: 

In den 1830er Jahren macht sich der Trapper Linus Rawlings (James Stewart) mit seinen Biberpelzen auf den Weg nach Pittsburgh und stößt unterwegs auf eine Siedler-Familie, die mit dem Schiff auf dem erst kürzlich eröffneten Eriekanal nach Westen ziehen wollen. Familienoberhaupt Zebulon Prescott (Karl Malden) hatte genug von dem steinigen, unfruchtbaren Boden seiner Farm und hofft, im Westen nicht nur Männer für seine beiden Töchter Eve (Carroll Baker) und Lilith (Debbie Reynolds), sondern auch eine neue Lebensgrundlage zu finden. Eve hat sich sofort in den abenteuerlustigen Trapper verguckt und verbringt die Nacht mit ihn, muss am nächsten Morgen aber enttäuscht feststellen, dass ihr ruheloser Geliebter schon wieder aufgebrochen ist. Weit kommt der Trapper allerdings nicht. An einem von „Colonel“ Hawkins (Walter Brennan) geführten isolierten Handelsposten lässt sich Linus in einer Höhle von Hawkins‘ hübscher Tochter Dora (Brigid Bazlen) zu einem vermeintlich gefangenen Tier in einem Loch führen, wo das Mädchen dem Trapper ein Messer in den Rücken sticht und ihn in die Schlucht stürzen lässt. Allerdings wird Linus nur leicht verletzt und kann mit seinem beherzten Eingreifen verhindern, dass auch die Prescotts Opfer der Banditen werden. 
Bei ihrer Weiterfahrt auf zwei Flößen nehmen die Prescotts allerdings die falsche Abzweigung, geraten in Stromschnellen, Zebulon und seine Frau kommen dabei um. Als die beiden Töchter mit ihrem verletzten Bruder das rettende Ufer erreichen und ihre Eltern begraben, beschließt Eve, genau an dieser Stelle eine Farm aufzubauen, während Lilith nach St. Louis geht, um dort als Tänzerin in einem Nachtclub zu arbeiten. Linus hat sich mittlerweile dazu entschlossen, sein rastloses Leben aufzugeben und bei Eve zu bleiben. Lilith erfährt, dass sie in Kalifornien eine Goldmine geerbt hat und schließt sich einem Treck nach Kalifornien an, auf dem sie von dem Spieler Cleve Van Valen (Gregory Peck) begleitet wird, der Wind von ihrem Erbe bekommen hat und hofft, mit Lilith eine gute Partie zu machen. Allerdings buhlt auch der wohlhabende Treck-Anführer Roger Morgan (Robert Preston) um ihre Gunst, doch lässt sie beide Männer zunächst abblitzen. Erst als sie Cleve auf einem Binnenschiff, auf dem sie singt und er spielt, wiedertrifft, nutzen sie ihre kargen Ersparnisse, um in die Eisenbahn zu investieren. 
In den 1860er Jahren kommt es zwischen der Central Pacific Railroad und der Union Pacific Railroad zum Wettstreit, wer zuerst einen Weg durch die Rocky Mountains findet. Der skrupellose Mike King (Richard Widmark) kümmert sich dabei nicht um die Absprache mit den Indianern und bringt durch die Änderung der Eisenbahnstrecke nicht nur neue Siedler, sondern auch Büffeljäger ins Land, die den Zorn der Sioux-Indianer auf sich ziehen … 

Kritik:

Mit einem imponierenden Star-Aufgebot, in dem sich Genre-Stars wie John Wayne (als im Sezessionskrieg kämpfender General William Tecumseh Sherman), Eli Wallach (als Bandit) und Henry Fonda (als Trapper) auch mit Nebenrollen zufriedengegeben haben, inszenierten gleich drei Regisseure ein ungewöhnliches Western-Epos, das bei acht Oscar-Nominierungen immerhin drei Auszeichnungen gewinnen konnte (wenn auch nur in den weniger bedeutenden Kategorien Bestes Drehbuch, Bester Ton und Bester Schnitt). Dabei inszenierte Henry Hathaway gleich drei Episoden („Der Fluss“, „Der Planwagen“ und „Die Desperados“), während John Ford („Der Bürgerkrieg“) und George Marshall („Die Eisenbahn“) für je eine weitere zuständig gewesen sind. Beeindruckend ist vor allem die visuelle Umsetzung ausgefallen, bei der MGM und Cinerama den Film im dreistreifigen, nur für tiefgewölbte Leinwände geeigneten 2,65:1-Cinerama-Format drehen ließen. Dabei kommen vor allem die imposanten Landschaftsaufnahmen vor strahlend blauem Himmel wunderbar zu Geltung, die die ideale Kulisse für ein Epos bilden, das um die Mitglieder der Familie Prescott zentriert ist und anhand ihrer Einzelschicksale die wesentlichen Eckpunkte der US-amerikanischen Geschichte skizziert. 
Bei diesem Unterfangen bleibt es nicht aus, dass selbst bei einer Spiellänge von 165 Minuten die wegweisenden Entwicklungen nur oberflächlich angerissen werden, sei es die Besiedelung des Wilden Westens, das Goldrausch-Fieber, die Expansion der Städte wie St. Louis, New York und San Francisco, der Bürgerkrieg, die Auseinandersetzungen mit den Indianern und der Siegeszug der Eisenbahn. Sieht man jedoch von diesem Schnelldurchlauf durch die US-amerikanische Geschichte mit den vielen ebenfalls oft nur kurz angerissenen Lebensläufen der Protagonisten mit überraschend hohem Frauen-Anteil ab, bekommt der Zuschauer einen bildgewaltigen Eindruck von der Erschließung des amerikanischen Westens und dem ungeheuren Pioniergeist der Amerikaner. 
Dass „Das war der Wilde Westen“ nur schöne Bilder präsentierte, aber letztlich dem Genre nichts Neues hinzufügen konnte, begründete schließlich seinen Misserfolg an den Kinokassen. 

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