About Schmidt
Schon mit seinen ersten beiden – hierzulande kaum bekannten - Filmen „Baby Business“ (1996) und „Election“ (1999) hat sich der aus Omaha, Nebraska, stammende Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Alexander Payne als Meister des komödiantischen Dramas erwiesen. Mit seinem dritten Werk „About Schmidt“ (2002) erweckte er auch internationales Aufsehen – nicht nur wegen der gewohnt starken Performance von Hauptdarsteller Jack Nicholson in einer ungewöhnlich biederen Rolle.
Inhalt:
Völlig reg- und emotionslos verfolgt Warren Schmidt (Jack Nicholson) den Lauf des Sekundenzeigers, bis die Wanduhr in seinem kleinen Büro 5 Uhr anzeigt und er mit seiner Aktentasche das Gebäude der Versicherungsgesellschaft verlässt, um in seinen wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Abends feiert er mit seiner Frau Helen (June Squibb) und seinen Kollegen seinen Abschied vom Arbeitsleben, hört sich kurze Reden seines jungen Nachfolgers an, der mit seiner Familie gerade erst in die Stadt gezogen ist, und auch sein Freund und Kollege Ray (Len Cariou) spricht ein paar Worte, mit denen er vor allem darauf verweist, dass nicht Wohlstand und das soziale Umfeld von Bedeutung im Lebens sind, sondern allein die Tatsache, in einem sinnvollen Unternehmen wie Woodman gearbeitet zu haben. Zwar lächelt Warren höflich über die wohlmeinenden Bemerkungen, verzieht sich dann aber still und leise in die Bar, um den Start in seinen neuen Lebensabschnitt mit einem Wodka-Gimlet zu begießen. Doch was macht man mit 66 Jahren im Ruhestand? Warren fragt sich auf einmal, wer die alte Frau überhaupt ist, neben der er seit 42 Jahren jeden Morgen aufwacht und die ihn dazu verdonnert, im Sitzen zu pinkeln und bei seinen Besorgungen in der Stadt nicht herumzutrödeln. Helen hat indes ihre eigenen Vorstellungen von dem neuen Leben und sich ein Ungetüm an Wohnmobil zugelegt, in dem sie schon mal zur Eingewöhnung das Frühstück serviert. Beim Zappen durch die Fernsehkanäle bleibt Warren bei der Werbung einer Wohltätigkeitsorganisation hängen, die sich um das Leben armer afrikanischer Kinder kümmert. Für nur 22 Dollar im Monat übernimmt Warren die Patenschaft des Jungen Ndugu aus Tansania und folgt der Empfehlung der Organisation, dem Scheck ein Brief mit persönlichen Worten beizulegen. Nachdem er den Brief zur Post gebracht hat, findet er Helen tot auf dem Fußboden wieder, den noch laufenden Handstaubsauger noch neben ihr. Zur Beerdigung kommen auch seine Tochter Jeannie (Hope Davis) und ihr Freund Randall (Dermot Mulroney), gegen den Warren schnell eine nicht näher definierte Abneigung entwickelt. Als er mit dem Wohnmobil zu ihrer Hochzeit nach Denver fährt, versucht er, seine Tochter vor genau dem Fehler zu bewahren, den er selbst begangen hat, nämlich jemanden zu heiraten, den man gar nicht wirklich kennt …
Kritik:
Alexander Payne, der für seine Drehbücher zu „Sideways“ (2004) und „The Descendants“ (2011) mit je einem Oscar ausgezeichnet worden ist und weitere Nominierungen u.a. für seine Regie zu diesen beiden Filmen und „Nebraska“ (2013) erhielt, zeichnet in der Adaption des Romans von Louis Begley das ernüchternde Portrait eines Mannes, der keine Spuren in seinem Leben hinterlassen hat. Nachdem er 66 Jahre so vor sich hingelebt hat, ohne seine Lebensweise und die dazu getroffenen Entscheidungen zu hinterfragen, öffnet ihm der Eintritt ins Rentenalter seinen Blick auf die Versäumnisse und die Bedeutungslosigkeit in seinem Leben.
Mit der eher zufällig übernommenen Patenschaft für einen afrikanischen Jungen beginnt Warren auf einmal, über sein Leben nachzusinnen, nur um festzustellen, dass er eine Frau geheiratet hat, die er nicht kennt und die ihn auch nicht gekannt hat. Das wird ihm vor allem in dem Moment bewusst, als er in ihrem Kleiderschrank einen Bündel mit Liebesbriefen von seinem „Freund“ Ray entdeckt. Als er sich schließlich in dem eigentlich verhassten Wohnmobil aufmacht, seine Tochter vor einem Unglück zu bewahren, lernt Warren Möglichkeiten kennen, wie es anders hätte laufen können.
Ein gemeinsames Abendessen auf dem Campingplatz mit seinen Wohnmobil-Nachbarn endet allerdings in einer Katastrophe, als die Frau seines Gastgebers, der gerade Bier-Nachschub besorgt, Warren damit konfrontiert, wie einsam er doch sei, und Warren mit der Erkenntnis, dass ihn diese Frau in so kurzer Zeit besser kennengelernt hat als seine Frau in 42 Jahren, sie zu küssen versucht. Unwohl fühlt sich Warren auch im Kreis der Familie seines Schwiegersohnes, wobei ihm nicht nur der Wasserbettverkäufer Randall mit seiner affigen Kopfbehaarung auf den Geist geht, sondern er sich auch der sexuellen Avancen durch Randalls Mutter Roberta (Kathy Bates) erwehren muss.
Trotz der humorvollen Töne überzeugt „About Schmidt“ vor allem als einfühlsames Portrait einer ganzen Generation von Menschen, die ihr Leben ihrer Arbeit, ihrer Familie und ihres Hauses gewidmet haben, ohne sich Gedanken um ihr persönliches Glück zu machen. Warren Schmidt ist ein typischer Vertreter dieses Milieus, in dem gute Jobs finanzielle Sicherheit und ein schönes Heim einbringen, aber in dessen Vokabular der Begriff Selbstverwirklichung nicht vorkommt.
Mit dem Tod seiner Frau und den inhaltslosen Beileidsbekundungen wird Warren bewusst, wie bedeutungslos nicht nur das Lebens seiner Frau, sondern auch sein eigenes geworden ist. Er hat nie auf ein eigenes Ziel hingearbeitet, nie seine eigenen Wünsche verwirklicht, weil er nie welche artikuliert hatte. Jack Nicholson („Chinatown“, „Die Hexen von Eastwick“) verkörpert diesen Schmidt mit einer behäbigen Konturlosigkeit. Und doch setzt er seine berühmte Mimik zielgerichtet ein, um die Langeweile und Hoffnungslosigkeit im Leben seiner Figur auszudrücken. Auch wenn das Ende in vielerlei Hinsicht offen bleibt, regt „About Schmidt“ doch zum Nachdenken über das an, was wirklich wichtig im Leben ist.
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