Identifikation einer Frau
Nach den kräftezehrenden Arbeiten an dem Hollywood-Film „Beruf:
Reporter“ (1975) war Michelangelo Antonioni fünf Jahre lang nicht in
der Lage, einen neuen Film zu machen. Erst die erneute Zusammenarbeit mit Monica
Vitta, mit der er in den 1960er Jahren die meisterhafte Tetralogie der
Entfremdung („Die mit der Liebe spielen“, „Die Nacht“, „Liebe 1962“, „Rote
Wüste“) realisiert hatte, ließ Antonioni 1980 den Fernsehfilm „Das
Geheimnis von Oberwald“ drehen. Nach diesem überraschend dialoglastigen,
auf einem Stück von Jean Cocteau beruhenden Kostümdrama kehrte Antonioni
1982 mit „Identifikation einer Frau“ wieder mehr zu seinen ursprünglichen
Themen zurück.
Inhalt:
Nach der Scheidung von seiner Frau versucht der Filmemacher
Niccolò (Tomas Milian) nicht nur die Lücke in seinem Privatleben zu
schließen, sondern auch ein (weibliches) Gesicht für sein nächstes Filmprojekt
zu finden. Er lernt die adlige Mavi (Daniela Silverio) kennen, die erst
spät zur (körperlichen) Liebe fand, weil sie in einem Mädchen-Internat in Wales
aufgewachsen war, wo sie zwar Lebensrettung lernte, aber keinen Sex haben
konnte. Niccolò gelingt es, Mavi zu verführen, doch bei einer gemeinsamen Autofahrt
durch dichten Nebel verliert Mavi vor Angst die Nerven und entzieht sich Niccolò
zunehmend. Später erfährt er, dass Mavi bisexuell ist.
Als Niccolò seine Schwester besucht, die als Gynäkologin
arbeitet, sieht er, wie deren Sohn mit einer Briefmarkensammlung spielt. Dieser
zeigt Niccolò seine Lieblingsmarke, nämlich eine sowjetische Briefmarke, die
eine Raumstation zeigt. Niccolò sinniert danach etwas über Science-Fiction.
In einer Kleinstadt hat Niccolò sich mit einer Bekannten vom
Land verabredet. Diese muss dringend eine Toilette aufsuchen, möchte aber nicht
in eine Bar gehen, sondern bevorzugt das Theater. Dort macht Niccolò die
Bekanntschaft mit der bodenständigen Schauspielerin Ida (Christine Boisson),
die er später auch besucht. Zwar hat Niccolò auch mit Ida Geschlechtsverkehr,
aber diese merkt, dass er sie nicht bedingungslos liebt. Als Niccolò Ida nach
Venedig einlädt, gesteht sie ihm, dass sie schwanger ist. Ida, die zuvor
glücklich war, ist von einem Moment auf den anderen traurig. Sie gesteht
Niccolò auch, dass sie ein Problem mit italienischen Regisseuren hat…
Kritik:
Michelangelo Antonioni thematisiert in „Identifikation
einer Frau“ einmal mehr die Unmöglichkeit echter menschlicher Beziehungen,
drückt dies aber im Gegensatz zu seiner Tetralogie der Entfremdung mehr in
Worten als in Bildern aus, obwohl die Verwendung von ausdruckskräftigen Rot-
und Blaufarben in leuchtendem Technicolor auf Antonionis symbolischer
Farbdramaturgie hinweist, die er bereits in seinem ersten Farbfilm „Rote
Wüste“ perfekt inszeniert hatte.
Auch wenn mit Niccolò ein männlicher Filmemacher
im Zentrum der Handlung steht, erfahren wir doch kaum etwas über ihn, weder
über seine früheren Frauenbeziehungen noch über seine Filme. Er scheint sich
allein darauf zu beschränken, die ideale Frau zu finden, ohne viel von sich
preiszugeben. Doch die neuen Beziehungen zu einer narzisstischen Adligen und
einer bodenständigen Schauspielerin haben nur flüchtigen Charakter und scheinen
dem Ideal, nach dem Niccolò sucht, nicht zu entsprechen, aber auch die Frauen
geben deutlich zu verstehen, dass Niccolò nicht das ist, wonach sie selbst
suchen.
Antonioni verbindet die Unmöglichkeit, sich auf einen anderen Menschen
wirklich einzulassen, mit einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Leben in der
Stadt und ihren technischen Neuerungen. So ist Niccolò nach seiner Rückkehr von
einer Reise ebenso von der Alarmanlage in seiner Wohnung genervt als auch vom
Anrufbeantworter, auf dem nur sinnlose Nachrichten hinterlassen worden sind.
Zu den für Antonioni ungewöhnlich vielen Dialogen
gesellt sich auch ein umfangreicher Soundtrack, was insofern überrascht, als
Antonioni immer betont hat, auf traditionelle musikalische Kommentare in seinen
Filmen verzichten zu wollen. Hier gesellen sich zum elektronischen Score des
ehemaligen Ultravox-Frontmanns John Foxx noch Stücke von Tangerine
Dream („Tangram“, „Ricochet“), Peter Baumann, Brian Eno, Orchestral
Manoeuvres in the Dark, Japan, XTC und Gianna Nannini hinzu.
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