Asphalt Cowboy
John Schlesingers dreifach Oscar-prämiertes
Großstadt-Drama „Asphalt-Cowboy“ (1969) zählt zu den besten wie
verstörendsten Werken der Filmgeschichte, wurde vom American Film Institute
in die Liste der 100 besten US-amerikanischen Filme aller Zeiten aufgenommen,
erhielt aber auch als erster Film überhaupt die neu eingeführte
X-Rated-Einstufung wegen der als brisant empfundenen Darstellung der Sexualität.
Für Hauptdarsteller Jon Voight bedeutete der Film seinen Durchbruch als
Schauspieler, und auch sein Leinwand-Partner Dustin Hoffman zeigte in
diesem Meilenstein des New Hollywood eine seiner beeindruckendsten Leistungen.
Inhalt:
Der Texaner Joe Buck (Jon Voight) hat genug von
schlecht bezahlten Jobs als Tellerwäscher und träumt von einer Karriere als bezahlter
Freudenspender in der Metropole New York. Schließlich weiß der blonde Cowboy
mit strahlend blauen Augen um sein gutes Aussehen und Charisma. Also nimmt er in
seinem besten Cowboy-Outfit den Bus in die Großstadt, um fortan als Lustknabe unbefriedigten
Ladys gegen entsprechend Bezahlung unvergessliche Freuden zu verschaffen. Doch
sein Traum vom american way of life, von dem rasanten Aufstieg vom
Tellerwäscher zum Millionär, lässt sich weit schwerer realisieren, als es die
Werbesendungen aus dem Transistorradio, das Joe stets auf seiner Schulter mit
sich herumträgt, verkünden. Kaugummi kauend und lächelnd zieht Joe durch die
Straßen und lässt sich auch von harschen Abfuhren der Ladys nicht entmutigen. Und
selbst die reiche Cass (Sylvia Miles), die ihn zwecks sexueller
Abwechslung mit auf ihre Suite nimmt, enttäuscht ihn nur kurzzeitig, als nach
Vollzug seiner Dienste nicht er Geld von ihr kassiert, sondern sie sich von ihm
ein paar Dollar für’s Taxi geben lässt.
Als Joe auf den heruntergekommenen, an Tuberkulose
erkrankten und hinkenden Rizzo, genannt „Ratso” (Dustin Hofman), trifft,
schöpft Joe allerdings neuen Mut, denn der vermittelt ihm – gegen eine Gebühr
von zwanzig Dollar – einen vermeintlichen Manager, der die Sache mit dem
männlichen Prostituierten für edle Damen richtig in die Hand nehmen würde. Dieser
Mann - O’Daniel (John McGiver) - erweist sich allerdings als bizarrer
religiöser Fanatiker mit leuchtender Madonna in der Badezimmertür – und Joe ist
wütend auf Ratso, der ihn hereingelegt hat. Nicht lange darauf begegnen sich
die beiden jedoch erneut, und nach einem kurzen Wutausbruch kommt Joe
schließlich sozusagen als Entschädigung bei Rizzo in dessen erbärmlicher
Schlafstätte unter. Ohne Perspektive in New York beginnen die unterschiedlichen
Männer, von einer gemeinsamen Zukunft im warmen Florida zu träumen, doch der
Weg zu den Bustickets in die Sonne ist gepflastert mit harten Erfahrungen auf
den Hinterhöfen des so genannten Amerikanischen Traums…
Kritik:
In der Verfilmung von James Leo Herlihys 1965
veröffentlichten Roman „Midnight Cowboy“ lässt John Schlesinger („Der
Marathon-Mann“, „Das Ritual“) den american way of life wie eine
Seifenblase platzen, wenn der naive Joe Buck den vielsagenden Versprechungen
der Werbung Glauben schenkt und glaubt, im Big Apple das große Geld machen zu
können, indem er seine einzigartige Manneskraft an sexuell frustrierte Frauen
der gehobenen Gesellschaft verkauft, nach kurzer Zeit aber erschrocken auf den
Boden der glanzlosen Tatsachen gestoßen wird. Schlesinger zelebriert mit
„Asphalt-Cowboy“ nicht nur den melancholischen Abgesang auf den einsamen
Helden der amerikanischen Prärie, sondern auch das Ende der sexuellen
Revolution, die nur noch Pornografie und Prostitution hinterlassen hat.
Jon
Voight („Beim Sterben ist jeder der Erste“, „Runaway Train“) brilliert
als naives Landei, das nach Begegnungen mit Trickbetrügern, Homosexuellen,
Junkies und fanatischen Christen nur noch intensiver an die Misshandlungen und
Demütigungen in seiner Kindheit zurückdenkt und die vielleicht einzige
glückliche Beziehung in seinen Träumen glorifiziert. Aber auch Dustin
Hoffman („Rain Man“, „Straw Dogs“) überzeugt als völlig versiffter,
heruntergekommener und in einem zum Abriss freigegebenen Haus wohnender
Trickbetrüger, der nichts mehr vom Leben erwartet. Ebenso wie durch die
außergewöhnlichen Leistungen der Darsteller gewinnt der Film durch die
authentisch wirkende Gegenüberstellung der am Existenzminimum lebenden
Randgruppen und der gelangweilten besseren Gesellschaft, die vergeblich durch
Konsum von Luxusartikeln, verwöhnten Schoßhündchen und Drogen Lebenssinn zu
generieren.
Schlesinger demontiert die Versprechungen, die die
Medienwelt den Konsumenten vorgaukelt, und schafft Sympathien für seine am
Bodensatz der Gesellschaft klebenden Protagonisten, die nur wenig mehr als ein
Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit verlangen. Gleichzeitig zerstört „Asphalt-Cowboy“
auch das Männlichkeitsideal, wenn Joe sein Geschäftsmodell im wahrsten Sinne
des Wortes nicht befriedigend ausüben kann und am Ende sogar auf homosexuelle
Kunden angewiesen ist. Bei aller schmerzhafter Melancholie ist „Asphalt-Cowboy“
aber auch ein bewegender Film über eine ungewöhnliche
Männerfreundschaft.
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