Ein glückliches Jahr
1966 gelang Claude Lelouch mit seinem zweifach
Oscar-prämierten Liebesfilm „Ein Mann und eine Frau“ ein Klassiker des
Genres, den er zwanzig Jahre später leider wenig spektakulär fortsetzte. Aber der
Film hinterließ fraglos seine Spuren, wurde auch für die beiden Hauptdarsteller
Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant zu Höhepunkten in ihren Karrieren.
1973 machte sich Lelouch den – wohlüberlegten – Spaß, in seinem Krimi-
und Liebesdrama „Ein glückliches Jahr“ zu Beginn ausgiebig aus „Ein
Mann und eine Frau“ zu zitieren.
Inhalt:
Im Rahmen der jährlichen Begnadigung zu Silvester wird der Juwelendieb
Simon (Lino Ventura) zusammen mit zwei weiteren Insassen überraschend
nach sechs Jahren aus dem Gefängnis frei. So sehr er sich über die vier
erlassenen Jahre auch freut, ist ihm durchaus bewusst, dass sich die Polizei durch
seine Freilassung erhofft, Hinweise auf seinen Kompagnon und somit auf den
Verbleib der immer noch verschwundenen Beute zu bekommen.
Während er sich auf
den Weg sowohl zu seinem Freund und Mittäter Charlot (Charles Gérard)
als auch zur bezaubernden Françoise (Françoise Fabian) macht, mit der er
eine kurze Affäre vor seiner Verhaftung hatte, erinnert sich Simon an die
Vorbereitungen zu dem Coup und daran, wie er Françoise aus dem benachbarten
Antiquitätengeschäft kennengelernt und sich in sie verliebt hat. Doch das
Wiedersehen mit ihr verläuft nicht ganz so, wie er sich das erhofft hat…
Kritik:
Wenn der Vorspann zu „Ein glückliches Jahr“ über die
Leinwand oder den Bildschirm flimmert, glaubt man sich im falschen Film zu
befinden. Da erklingt die berühmte Titelmusik von Francis Lai aus „Ein
Mann und eine Frau“ sowie aneinandergereihte Szenen aus dem dazugehörigen
Film. Wie sich herausstellt, schaut der inhaftierte Simon den Film zusammen mit
seinen Mithäftlingen, die den Film mächtig ausbuhen. Claude Lelouch zitiert
damit nicht nur auf selbstironische Weise seinen prominentesten Film, sondern
nimmt mit diesem Auftakt auch den unglücklichen Verlauf der nachfolgenden
Geschichte vorweg.
Denn ebenso wenig wie „Ein Mann und eine Frau“ eine Liebesgeschichte
mit Happy End war, ist auch Simon kein Glück in der Liebe beschieden. Lelouch
spielt geschickt mit Schwarzweiß- und Farbbildern, um die Gegenwart von der
Vergangenheit zu unterscheiden, die in einer einzigen langen Rückblende
zwischen die Schwarzweiß-Szenen der Gegenwart eingefügt ist, und mischt
Elemente des klassischen Heist Movies mit einer ungewöhnlichen
Liebesgeschichte. Während die Vorbereitungen und Ausführung des Juwelenraubs
viel Raum einnehmen, aber erstaunlich stümperhaft über die Bühne gehen, sind
die Parallelen in der Beziehung zwischen Simon und Françoise zu der Geschichte
von Jean-Louis und Anne in „Ein Mann und eine Frau“ unübersehbar.
Schließlich stehen auch der Juwelendieb und die Antiquitätenhändlerin in der
Mitte ihres Lebens, haben einige Beziehungen hinter sich und sind nicht mehr so
leicht vom großen Glück zu überzeugen, weshalb der Filmtitel „Ein
glückliches Jahr“ eher ironisch daherkommt.
So ganz ausgereift ist die
Balance zwischen Krimi und Romanze nicht, aber die Chemie zwischen Lino Ventura
(„Das Verhör“, „Armee im Schatten“) und Françoise Fabian („Meine
Nacht bei Maud“, „Belle de jour - Schöne des Tages“) stimmt. Es ist schön
anzusehen, welche – auch finanziellen – Anstrengungen Simon unternimmt, um die
kulturell interessierte Geschäftsfrau näher kennenzulernen. So überzeugt „Ein
glückliches Jahr“ als melancholisches, zwischen sechs Jahren tangierendes
Melodram, in dem die Protagonisten die Last ihrer Vergangenheit nicht
abschütteln können.
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