Das passiert immer nur den anderen
Als Claude Lelouch 1960 mit Les Films 13 seine
eigene Produktionsfirma gründete, erschienen dort vor allem seine eigenen
Filme, aber bis 2012 auch zehn Werke anderer Regisseure, u.a. das Drama „Das
passiert immer nur den anderen“ (1971) von Jean-Louis Trintignants
damaliger Ehefrau Nadine Trintignant, die mit dem Film den Tod ihrer Tochter
Pauline verarbeitete, die 1969 am plötzlichen Kindstod verstarb. Sehenswert ist
das Drama vor allem wegen des Zusammenspiels der beiden Hauptdarsteller Catherine
Deneuve und Marcello Mastroianni.
Inhalt:
Einst waren Catherine (Catherine Deneuve) und der Autokarosserien-Designer
Marcello (Marcello Mastroianni) ein überaus glückliches Paar, das durch
die Geburt der gemeinsamen Tochter Camille gekrönt wurde. Doch als das
Kindermädchen Marguerite (Dominique Labourier) eines Tages mit dem leblosen
Baby im Arm zu ihnen kam, änderte sich in einem Augenblick alles. Seit sie mit
dem leblosen Kind mit dem Taxi ins Krankenhaus fuhren, wo dem Baby nicht mehr
geholfen werden konnte, haben sich Catherine und Marcello in ihre Wohnung
zurückgezogen. Immer wieder erinnern sie sich an die schönen wie schicksalshaften
Momente, die sie neun Monate mit ihrer Tochter erleben durften. Nachdem
Catherine im Krankenhaus einen Zusammenbruch erlitt, kümmert sich Marcello um
sie, hat sich selbst eine Auszeit genommen. Nun meiden sie Freunde und Verwandte,
haben die Vorhänge zugezogen und verbringen Tage wie Nächte bei Kerzenlicht im
Bett oder auf dem Fußboden, da ihnen irgendwann der Strom abgeschaltet worden
ist.
Marguerite bringt ihnen eines Morgens mit dem Frühstück ein
weißes Kaninchen vorbei, das Catherine und Marcello aufheitern soll. Catherines
Bruder Xavier (Serge Marquand) kommt schließlich auch vorbei und muntert
sie vorübergehend mit dem Spielen einer Scharade auf. Überdimensionale Fotos
von Camille erinnern Catherine und Marcello jedoch stets an ihren Verlust,
weshalb es ihnen nicht gelingt, ihre Trauer zu überwinden.
Eines Tages beschließen sie jedoch, aufs Land zu fahren. Sie
wachen am nächsten Morgen im Stroh einer Scheune auf und gesellen sich zu einer
Schafsherde. Bei Sonnenuntergang gehen sie allein spazieren und hängen ihren
Gedanken nach. Als sie mit ihrem Auto durch die Gegend fahren, werden sie auf
ein Mädchen in einem weißen Kleid aufmerksam. Sie folgen dem Mädchen in ein
Dorf, wo sie auf eine Hochzeitsgesellschaft stoßen. Sie setzen sich zum Essen
an einen separaten Tisch und werden spontan von den Feiernden auf einen Schluck
Wein eingeladen. Ein junger Mann fordert Catherine schließlich zum Tanzen auf.
Während Catherine sich von ihm führen lässt, tanzt Marcello mit der Braut.
Derart vergnügt hatten sie einst auch mit Camille im Arm getanzt…
Kritik:
Nadine Trintignant ist mit „Das passiert immer nur
den anderen“ ein zutiefst persönlicher Film geworden, der zwar in erster Linie
ihre eigene Tragödie verarbeitet, aber bei aller Schicksalsverbundenheit nicht
in allzu melodramatische Gefilde abtaucht. Im Wechsel zwischen der trostlos in
den eigenen vier Wänden verbrachten Gegenwart und den schönen wie schmerzlichen
Erinnerungen macht die Filmemacherin deutlich, was das einst glückliche Paar
durchgemacht hat, gibt den Erinnerungen an schöne Momente aber mindestens
ebenso viel Raum wie den bangen Minuten auf der Fahrt zum Krankenhaus und der Trauer
über den schmerzlichen Verlust.
Catherine Deneuve („Belle de jour – Schöne des
Tages“, „Dancer in the Dark“) und Marcello Mastroianni („8 ½“, „Das
süße Leben“) bringen die Gefühle des traumatisierten Paares überzeugend zum
Ausdruck, das Leben in der Zurückgezogenheit, um ihre Trauer zu verarbeiten,
ebenso wie den Ausbruch aus ihrem selbst kreierten Gefängnis mit der Erfahrung
neuer Lebensfreude.
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