Eros

Nachdem Michelangelo Antonioni mit „Jenseits der Wolken“ (1995) einige Geschichten seines Erzählbandes „Bowling am Tiber“ verfilmt hatte, bekam der armenische, überwiegend in Frankreich arbeitende Produzent Stéphane Tchalgadjieff die Idee, eine Trilogie rund um den „Eros“, um Liebe und Begehren, zu realisieren, wobei neben Antonioni noch zwei Regisseure verpflichtet werden sollten, die Antonioni künstlerisch nahestanden. Neben Wong Kar-Wai („In the Mood for Love“, „2046“) sollte zunächst Pedro Almodóvar („Volver“, „Alles über meine Mutter“) das Trio abrunden, doch musste er wegen des Starts der Produktion seines eigenen Films „Schlechte Erziehung“ dann passen. Als Ersatz wurde Steven Soderbergh („The Limey“, „Ocean’s Eleven“) verpflichtet, der vor allem aus dem Grund zusagte, seinen Namen auf einem Poster mit Antonioni zu sehen.

Inhalt:
In „The Hand“ erzählt Wong Kar-Wai die Geschichte des jungen Schneiders Zhang (Chang Chen), der sich in eine seiner Kundinnen verliebt. Bei dem ersten Besuch in ihrer Wohnung muss er noch auf Miss Hua (Gong Li) warten, während er im Wohnzimmer durch die dünnen Wände hört, wie sie gerade Sex mit einem Mann hat. Als er zu ihr ins Schlafzimmer gebeten wird, kann er seine Erektion nicht verbergen, was Miss Hua amüsiert, aber auch dazu animiert, ihn die Hosen ausziehen zu lassen und es ihm mit der Hand zu besorgen. So beschämt Zhang über den Vorfall ist, legt er sich doch ordentlich ins Zeug, besondere Sorgfalt bei den Kleidern für Miss Hua walten zu lassen. Er besucht sie auch, als er erfährt, dass sie eine Prostituierte ist. Als sie krank wird und nicht mehr arbeiten kann, zahlt er sogar ihre Miete, doch seine Liebe bleibt unerwidert…
Stephen Soderbergh lässt in „Equilibrium“ den gestressten New Yorker Werbefachmann Nick Penrose (Robert Downey Jr.) den Psychiater Dr. Pearl (Alan Arkin) aufsuchen, weil er sich nicht erklären kann, dass er immer wieder den gleichen Traum hat, in dem eine Frau sich nackt vor ihm auszieht und ein Bad nimmt.  
„The Dangerous Thread“ von Michelangelo Antonioni erzählt von einer jungen Frau namens Cloe (Regina Nemni), die mit ihrem Mann Christopher (Christopher Buchholz) einen entspannten Urlaub in der Toskana verbringen will, sich aber ständig mit ihm streitet. Bei einem Ausflug gehen sie schließlich getrennte Wege und Christopher lernt bei dem Besuch eines alten Turms eine junge Frau (Ele Keats) kennen, die ihn mit in den Turm nimmt, wo sie sich leidenschaftlich lieben. Später treffen sich die beiden Frauen nackt am Strand…

Kritik:

Gleich der erste Beitrag zur „Eros“-Kurzfilm-Trilogie erweist sich als der mit Abstand beste, denn Wong Kar-Wai knüpft mit „The Hand“ nahtlos an seine ästhetisierten Meisterwerke „In the Mood for Love“ und „2046“ an, wobei sein Stammkameramann Christopher Doyle natürlich einen wesentlichen Anteil hat. Kar-Wai ist auch der einzige Filmemacher des Trios, der eine sinnliche Geschichte zu erzählen vermag, ohne nackte Haut zu zeigen. Dafür ist das Zusammenspiel von Chang Chen („Tiger & Dragon“, „Red Cliff“) mit Gong Li („Rote Laterne“, „Die Geisha“) so intensiv, dass die Spannung zwischen ihnen spürbar ist und die Dramaturgie der Handlung entsprechend vorantreibt. Davon sind sowohl Soderberghs als auch Antonionis Beitrag weit entfernt. 
In „Equilibrium“ spielt die Erotik nur eine Nebenrolle, wenn Nicks Traum von einer nackten Frau in leuchtenden Blautönen präsentiert wird, während die Therapiesitzung bei Dr. Pearl in Schwarzweiß gedreht wird. Hier amüsiert vor allem Alan Arkins Rolle, wenn er mit einem Fernglas aus dem Fenster schaut und Papierflieger hinauswirft, während Nick sich auf der Couch noch einmal in seinen Traum hineinversetzt. Die Geschichte verpufft allerdings genauso wie Antonionis „The Dangerous Thread“, wo zwar mit Abstand am meisten Haut und leidenschaftlicher Sex vor malerischer Kulisse gezeigt wird, doch wird Antonionis Lieblingsthema von der Unmöglichkeit glücklicher Beziehungen recht lustlos abgedreht. Schade, dass sich der Meister so eleganter Meisterwerke wie „Die Nacht“ und „Liebe 1962“ mit so einem nichtssagenden Beitrag aus der Welt des Films verabschieden musste.

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