Ein Leben lang

Seit der Gründung seiner eigenen Produktionsfirma Les Films 13 hat der französische Filmemacher Claude Lelouch nahezu jährlich einen neuen Film realisiert, manchmal sogar mehrere pro Jahr. Nach den beiden Komödien „Smic, Smac, Smoc“ und „Die Entführer lassen grüßen“ (beide 1971), der Krimi-Romanze „Ein glückliches Jahr“ und einem Beitrag zu dem von acht Regisseuren inszenierten Dokumentarfilm „München 1972“ (beide 1973) präsentierte Lelouch 1974 mit dem fast zweieinhalbstündigen Drama „Ein Leben lang“ einen der teuersten Produktionen der französischen Filmgeschichte in den 1970er Jahren.

Inhalt:

Nachdem die jüdischen KZ-Häftlinge Rachel Stern (Marthe Keller), Tochter eines ermordeten Generals, und David Goldman (Charles Denner), Sohn des Kameramanns von Lumière, aus dem KZ befreit worden sind, lernen sie sich im Zug kennen, tauschen Familienfotos aus und bekommen später ein Kind namens Sarah. Zur Feier von Sarahs 16. Geburtstag lädt der zu Wohlstand gekommene Vater auf ihren Wunsch den Chansonnier Gilbert Bécaud ein, mit dem Sarah eine Beziehung beginnt. In der Zwischenzeit wird der Kleinkriminelle Simon Duroc (André Dussollier) verhaftet und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er freundet sich mit dem Koch (Sam Letrone) an, verliert aber bald die Lust an der Küchenarbeit und lernt beim Gefängnisfotografen Charles (Charles Gérard) zu fotografieren. Als Sarah von Bécaud verlassen wird, unternimmt sie einen Selbstmordversuch, worauf sie ihr Vater auf eine Weltreise mitnimmt, die ihn allerdings auch mit Erinnerungen an seine bei Sarahs Geburt gestorbene Frau erinnern. Sarah kämpft in den folgenden Jahren nicht nur mit gescheiterten Beziehungen, sondern auch der Tatsache, keinen Ehrgeiz entwickeln zu müssen, weil sie sich von dem Geld ihres Vaters alles leisten kann.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis verdient sich Simon zusammen mit Charles seinen Lebensunterhalt erst mit Überwachungsfotos, dann mit der Produktion von Pornofilmen, was den beiden die nächste Gefängnisstrafe einbringt.
Sarahs Leben führt sie nach Italien, wo sie mit Hilfe eines Freundes versucht, schwanger zu werden, aber scheitert. Sarah, die nun über ihre Erziehung schreibt, willigt ein, einen Italiener zu heiraten, lässt sich aber kurz darauf wieder scheiden. Ihr Vater stirbt, woraufhin Simon seinen Traum verwirklicht, einen Spielfilm zu drehen, der aber schlechte Kritiken erhält, sodass Simon wieder Werbefilme dreht. Ohne voneinander zu wissen, arbeiten Sarah und Simon im selben Gebäude. Sarah, die die Weisheit ihres Vaters erkannt hat, schlägt progressive Veränderungen in der Firma vor, stößt aber auf den Widerstand eines Gewerkschaftsagitators.
Simon, der von der Werbung desillusioniert ist, beginnt einen autobiographischen Film zu drehen, in dem er Ereignisse aus seinem Leben nachstellt. Es kommt zu zwei Beinahebegegnungen zwischen Simon und Sarah, die sich jedoch nicht wahrnehmen. Erst später, auf dem gemeinsamen Flug nach New York, lernen sich Simon und Sarah tatsächlich kennen…

Kritik:

Claude Lelouch umreißt in seinem aufwändig produzierten Drama „Ein Leben lang“ die Spanne von mehreren Generationen, lässt seine beiden Hauptdarsteller Charles Denner („Die Braut trug schwarz“, „Der Mann, der die Frauen liebte“) und Marthe Keller („Der Marathon-Mann“, „Hereafter – Das Leben danach“) jeweils die Generationen einer Familie verkörpern, die in dem Film von 1918 bis in die Zukunft des Jahres 2000 reicht. 
Vor dem Hintergrund geschichtlicher Ereignisse wie die Hinrichtung der Familie Romanow, der Durchbruch der Tonaufnahme, der zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust führte, der Aufstieg von Staatsmännern wie Lenin, Stalin und Hitler, der Algerienkrieg, die Kubakrise und die Mondlandung der Amerikaner entfaltet Lelouch im ständigen Wechsel den Werdegang der Familien von Sarah und Simon, die sich zwar erst am Schluss im Flugzeug kennenlernen, doch den schwierigen Weg dahin zeichnet der Regisseur mit wechselnden Stilmitteln nach. So beginnt der Film mit in Schwarzweiß gedrehten Stummfilmszenen, wechselt zu Sepiatönen und schließlich zum Farbfilm, vor allem zeichnet Lelouch die verschiedenen – unglücklichen – Liebesgeschichten nach, die Anfangs mit dem Tod eines Partners endeten, später mit mehr oder weniger dramatischen Abschieden. 
So aufwändig der Film auch inszeniert ist, virtuos die Epochen durchstreift und ihn von Gilbert Bécauds Chansons musikalisch untermalen lässt, so fehlt doch die dramaturgische Stringenz, um mit den Figuren wirklich mitfühlen zu können.

Kommentare

Beliebte Posts