Mit „Ein Mann und eine Frau“ hat der damals gerade
mal 29-jährige Claude Lelouch in Frankreich nicht nur den
erfolgreichsten Liebesfilm der 1960er Jahre abgeliefert, sondern auch jeweils
einen Oscar für das beste Originaldrehbuch und den besten fremdsprachigen Film gewonnen.
Die Umarmung der damals jeweils 35-jährigen Protagonisten Anne und Jean-Louis
in der Schlussszene auf dem Bahnsteig ließ allerdings offen, ob es tatsächlich
eine Zukunft für das Paar geben konnte. Zwanzig Jahre später lieferte Lelouch
mit den beiden Hauptdarstellern des ersten Films – Anouk Aimée und Jean-Louis
Trintignant – die Fortsetzung der berühmten Liebesgeschichte, die schlicht „Ein
Mann und eine Frau - 20 Jahre später“ betitelt wurde.
Inhalt:
Vor zwanzig Jahren haben sich Anne (Anouk Aimée) und
Jean-Louis (Jean-Louis Trintignant) nach einer gemeinsamen Liebesnacht
getrennt, als Anne bewusst geworden war, dass sie noch zu sehr an ihrem
verstorbenen Mann hängt, der bei Dreharbeiten bei einer Explosion ums Leben gekommen
war. Zwar fuhr Jean-Louis Anne hinterher und konnte sie am Bahnsteig in Paris
in die Arme nehmen, doch danach trennten sich ihre Wege. In der Zwischenzeit organisiert
der ehemalige Rennfahrer Jean-Louis Rennen für Lancia, sein Sohn Antoine (Antoine
Sire) nimmt als Fahrer an den Wettkämpfen teil, während Anne vom Skriptgirl
zur Produzentin aufgestiegen ist. Als ihr aufwendig produziertes Kriegsepos
allerdings bei Kritikern und an den Kinokassen floppt, steht Anne unter
Zugzwang und spielt mit dem Gedanken, ihre Liebesgeschichte mit Jean-Louis zu
verfilmen. Als sie ihn anruft, meldet sich eine junge Frau: Marie-Sophie (Marie-Sophie
Pochat), Jean-Louis‘ Freundin, die jüngere Schwester seiner
Schwiegertochter. Heimlich trifft Jean-Louis sich mit Anne und willigt zögernd
ein, die gemeinsame Liebesgeschichte mit Annes Tochter Françoise (Evelyne
Bouix) als Hauptdarstellerin zu verfilmen. Während er die Rallye Paris –
Dakar vorbereitet, ahnt Marie-Sophie, dass Jean-Louis sie verlassen will, und
verlangt, zum nächsten Flugplatz gebracht zu werden. In der ersten Nacht der
Fahrt durch die Wüste durchsticht Marie-Sophie heimlich die Reifen des
Landrovers, zerstört die Funkanlage und gießt das Trinkwasser aus. Sie wären
beide verloren, wenn nicht zufällig eine Karawane vorbeiziehen und sie retten
würde. Jean-Louis eilt zu Anne nach Paris, die jetzt das vergangenheitsbezogene
Projekt fallen lässt und stattdessen mit der gleichen Crew einen Film über
einen aktuellen Mordfall dreht…
Kritik:
Wer erwartet hat, dass sich Anne und Jean-Louis vor zwanzig
Jahren bei der innigen Umarmung am Bahnsteig gefunden haben und sich an einem
gemeinsamen Glück versuchen wollen, sieht sich schon in den ersten Szenen
getäuscht. Jean-Louis hat kein Interesse an einer Beziehung mit gleichaltrigen
Frauen und lässt sich auf eine Liaison mit einer viel jüngeren Bewunderin ein,
während Anne sich ganz auf die Arbeit stürzt und eine lockere Beziehung mit dem
Fernsehmoderator Patrick (Patrick Poivre d'Arvor) unterhält. Auch wenn Lelouch
Jean-Louis und Anne nach zwanzig Jahren wieder aufeinandertreffen lässt, ist er
nicht an der Fortsetzung ihrer Liebesgeschichte interessiert. Anne macht bei
ihrem Wiedersehen keinen Hehl daraus, dass das Treffen beruflicher Natur ist,
und in der Folge erzählt Lelouch eher von den Filmaufnahmen, die Szenen aus
„Ein Mann und eine Frau“ 1:1 nachspielt, mit Annes Tochter in der Rolle
der Frau, die Anne damals war. Natürlich lässt Lelouch immer wieder Szenen aus
dem Originalfilm einfließen, die umso deutlicher unterstreichen, dass sein
neuer Film einen ganz anderen Film darstellt, womit er einmal mehr die
Erwartungen des Publikums unterläuft. Stattdessen ist „Ein Mann und eine Frau
– 20 Jahre später“ eher ein Film-im-Film und begleitet die Aufnahmen zunächst
der damaligen Liebesgeschichte, die eigentlich nie begonnen hat, und des
Krimis, zu dem sich Anne nach ersten Sichtungen des Materials entschlossen hat,
der nicht ihren Erwartungen entsprochen hat. Eine Liebesgeschichte, wie Anne sie
damals erlebt hat, lässt sich nicht einfach auf Zelluloid reproduzieren. Doch Lelouch
arbeitet mit zu vielen Nebenhandlungen, um eine stringente Atmosphäre aufzubauen.
Die komplexe Film-im-Film-Struktur einerseits und der Nebenschauplatz von Jean-Louis‘
Überlebenskampf in der Wüste sind dem Drama eher abträglich, auch wenn es Spaß
macht, Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant wieder gemeinsam
vor der Kamera zu sehen.

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