Die zwei Leben der Veronika

Die Rolle der Spiritualität für den Menschen untersuchte der polnische Filmemacher Krzysztof Kieślowski bereits in seinem zehn Filme umfassenden „Dekalog“, mit dem er die Bedeutung der Zehn Gebote in der heutigen Zeit untersuchte. Sein anschließend entstandenes Drama „Die zwei Leben der Veronika“ (1991) wiederum beschäftigt sich mit dem Motiv des Doppelgängers, der Verbundenheit zwischen den Menschen.

Inhalt:

Die in Krakau lebende Polin Weronika (Irène Jacob) singt für ihr Leben gern und empfindet auch keine Hemmungen, bei der Chorprobe eines ihrer Bekannten immer wieder ihre eigene Stimme einfließen zu lassen und so die Chorleiterin auf sich aufmerksam zu machen. Sie stellt Weronika dem Leiter eines Orchesters vor, der ebenfalls so angetan von ihrer Stimme ist, dass sie die Solosingstimme bei der Aufführung eines Orchesterwerks verkörpern darf. Als sie den großen Marktplatz Krakaus überquert, entdeckt sie in einem vorbeifahrenden Bus eine französische Touristin, die so mit Fotografieren beschäftigt ist, dass sie Weronika nicht bemerkt, aber ihr exaktes Ebenbild ist. Bei dem Konzert am Abend bricht Weronika auf der Bühne zusammen...
In Paris lebt Veronique (ebenfalls Irène Jacob), die, überwältigt von einem unbestimmten Gefühl und unter Protest ihres Lehrers ihren Gesangsunterricht beendet und sich ganz auf die Lehrtätigkeit an der Schule konzentriert. Bei einer Marionettenaufführung mit den Kindern zeigt sich die Musiklehrerin sehr ergriffen von der Geschichte einer jungen Ballerina und verfolgt in einem Spiegelbild das Antlitz des Marionettenspielers (Philippe Volter). Angeregt durch ihre Kollegin recherchiert sie über den Marionettenspieler, der zudem viele Kinderbücher verfasst hat. Mit der Zeit erhält Veronique geheimnisvolle Pakete und Briefe, deren Inhalte, ein Schnürsenkel und eine Kassette, sie nicht nur zum Absender bringen können, sondern auch zur Auflösung eines Geheimnisses, welches sie seit Langem in sich trägt.

Kritik:

Bereits drei Jahre vor ihrer weltberühmten Darstellung in Kieślowskis „Drei Farben: Rot“, dem krönenden Abschluss seiner Trilogie über die französische Tricolore und die drei Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, ist Irène Jacob („Auf Wiedersehen, Kinder“, „Jenseits der Wolken“) auch in „Die zwei Leben der Veronika“ der emotionale Dreh- und Angelpunkt. Sie verkörpert jeweils zwei ähnliche Frauen, die sich wie eineiige Zwillinge verhalten, beide mit großem Gesangstalent gesegnet sind, von ihren Vätern geliebt werden und lose sexuelle Verbindungen zu gleichaltrigen Männern unterhalten. Wie eng die beiden Schicksale der beiden Frauen miteinander verbunden sind, demonstriert Weronikas tragischer Zusammenbruch auf der Bühne während ihres großen Auftritts. Ohne davon explizit zu wissen, beendet in diesem Augenblick auch die Französin Veronique ihre Gesangskarriere. Was folgt, ist eine ungewöhnliche Odyssee, auf der Veronique durch mysteriöse Briefe eines Unbekannten und eine darin enthaltene Tonbandkassette auf eine Suche nach sich selbst geschickt wird. Für den Marionettenspieler mag dies nur ein psychologisches Experiment sein, für Veronique ist das Nachsinnen über den Ursprung der Töne eine Spurensuche nach sich selbst.Kieślowski bedient sich einer eindrucksvollen Farbpalette von Grün- und Rottönen, der eindringlichen Musik von Zbigniew Preisner und dem einfühlsamen Spiel von Irène Jacob, um ein poetisches Drama über die Nähe und Zuneigung zwischen Menschen zu schaffen, das lange nachhallt.

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