Liebe ist kälter als der Tod

Rainer Werner Fassbinder hat zwar schon als Teenager erste Theaterstücke, Gedichte, Kurzgeschichten und Drehbücher geschrieben, philosophische, gesellschaftskritische und psychoanalytische Schriften studiert und sich für das Filmemacher interessiert, doch bestand er nach zweijähriger Ausbildung später weder die staatliche Schauspielprüfung in München, noch die Aufnahmeprüfung an der damals neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, weshalb er als Autodidakt in das Ensemble des Action-Theater aufgenommen wurde, aus dem 1968 das antiteater entstand. Auf diese Weise bildete sich ein Kern mit Leuten wie Peer Raben, Kurt Raab, Hanna Schygulla, Irm Hermann, Harry Baer, Ingrid Caven, Günther Kaufmann und Margit Carstensen, mit denen Fassbinder in den folgenden Jahren eng zusammenarbeiten sollte. Mit seinem Langfilmregiedebüt „Liebe ist kälter als der Tod“ (1969) verneigte sich Fassbinder vor allem vor den Nouvelle-Vague-Regisseuren Claude Chabrol und Éric Rohmer.

Inhalt:

Zuhälter Franz (Rainer Werner Fassbinder) ist nur eine kleine Nummer in der Münchener Unterwelt, der seine Freundin Joanna (Hanna Schygulla) auf den Straßenstrich schickt und nur knapp über die Runden kommt. Er weigert sich für das mächtige Gangstersyndikat der Stadt zu arbeiten, weswegen der smarte Berufsverbrecher Bruno (Ulli Lommel) auf ihn angesetzt wird. Bruno soll ihn in Verbrechen hineinziehen, die dem Syndikat dann als Handhabe dienen, Franz zum Mitmachen zu bewegen. Eines Tages fährt Bruno nach München, findet Franz jedoch nicht unter der angegebenen Adresse, die er dann auf dem Straßenstrich erfährt, als er nach Franz’ Freundin Joanna fragt, die für ihn arbeitet. Franz versteckt sich vor einem Türken, der ihn beschuldigt, seinen Bruder umgebracht zu haben. Bruno bietet Franz an, das Problem zu lösen. Die drei, Franz, Joanna und Bruno, machen sich auf den Weg. Sie besorgen sich Sonnenbrillen und Waffen; beim Weggehen erschießt Bruno den Waffenhändler (Peer Raben). Bruno erschießt in einem Café den Türken und dann die Kellnerin sowie außerhalb der Stadt einen Polizisten, der die Papiere verlangt. Franz will sogar Joanna mit Bruno teilen…

Kritik:

Inhaltlich und ästhetisch ließ sich Rainer Werner Fassbinder bei seinem in nur 24 Tagen mit einem Budget von ca. 95.000 DM gedrehten Langfilmdebüt vor allem vom Film noir der 1940er und 1950er Jahre sowie der Nouvelle Vague inspirieren. Das wird nicht nur an der schlicht gestrickten Krimihandlung deutlich, sondern vor allem im Look des Berufsverbrechers Bruno und der ästhetisierten Bildgestaltung mit überbelichteten Schwarzweißbildern, überlangen Kameraeinstellungen und einer extrem kargen Ausstattung. Da der Krimiplot wenig spektakulär erscheint, rückt die Bedeutung des Filmtitels „Liebe ist kälter als der Tod“ in den Vordergrund. Da ist zum einen die Beziehung zwischen dem gefühllos wirkenden Zuhälter Franz, der eine sehr geschäftliche, distanzierte Beziehung zu seiner Freundin Joanna führt, die vor allem für sein Einkommen verantwortlich ist, und dem Berufsverbrecher Bruno, der genau das Maß an Kalkül und Gefühl verkörpert, das situationsbedingt erforderlich ist. Liebe wird hier vor allem in den Dimensionen der käuflichen Liebe thematisiert, echte Leidenschaft oder gar Zärtlichkeit sucht man in dieser Menage à trois vergeblich, aber die Liebe öffnet eben auch das Tor zur Gewalt. Fassbinder beschreibt in seinem Debüt die Suche einfacher Leute nach dem Glück, doch scheint der gewählte Weg, wie die eigene Situation verbessert werden kann, von vornherein zum Scheitern verurteilt. 
Fassbinder, der in Personalunion für Schnitt, Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnete, ist mit „Liebe ist kälter als der Tod“ ein stilistisch interessantes Debüt gelungen, das durchaus als Reminiszenz an  Jean-Pierre Melvilles Klassiker „Der eiskalte Engel“ (1967) angesehen werden kann.

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