Sehnsucht

Um das Jahr 1880 veröffentlichte Camillo Boito eine Novelle, die als literarisches Zeugnis der italienischen Dekadenz entstanden war und damit die besten Voraussetzungen erfüllte, von Luchino Visconti („Ossessione – Von Liebe besessen“, „Bellissima“) als opulent bebildertes Historienspektakel adaptiert zu werden.

Inhalt:

Anlässlich einer Opernvorführung von Giuseppe Verdis „Der Troubadour“ in Venedig kurz vor dem dritten italienischen Unabhängigkeitskriegs im Jahre 1866 nutzen die lokalen Rebellen die Veranstaltung, um gegen die österreichischen Besatzer zu demonstrieren, die ebenfalls zahlreich im Publikum vertreten sind. In dem erregten Tumult, bei dem „Es lebe Italien“-Rufe erschallen und Blätter in den Farben der Nationalflagge ins Publikum regnen, gerät der engagierte Marquis Roberto Ussoni (Massimo Girotti) mit dem österreichischen Offizier Franz Mahler (Farley Granger) aneinander, worauf ein Duell anberaumt wird. Ussonis Cousine Livia (Alida Valli), die eine kräftig unterkühlte Ehe mit dem Conte Serpieri (Heinz Moog) unterhält, der die Rebellen ganz im Gegensatz zu seiner Gattin verurteilt, will diese Eskalation um jeden Preis verhindern und lässt sich mit dem attraktiven Offizier bekannt machen, um ihren Einfluss in die Waagschale für Roberto Ussoni zu werfen. Doch dieser wird ohnehin verhaftet und in die Verbannung geschickt, wobei er Livia später nach seiner Rückkehr noch die großzügigen Spendenressourcen der Rebellen anvertraut. Die wohlhabende Livia verfällt zunehmend dem Charme des jüngeren Mannes und ahnt nicht, dass es dieser in Wahrheit nur auf ihr Geld abgesehen hat. Für ihren Geliebten verrät die Contessa sogar ihre politischen Ideale: Statt das vom Untergrund gesammelte Geld aus Venedig zu schmuggeln, überlässt sie es Franz, damit sich dieser vom Kriegsdienst freikaufen kann…

Kritik:

Mit seinem ersten Farbfilm „Sehnsucht“ erzählt Visconti die tragische Geschichte einer venezianischen Contessa, deren verbotene Liebe zu einem Offizier der österreichischen Besatzer zum Sinnbild für den Zusammenbruch der alten Ordnung wird. Dabei beschränkt sich Visconti nicht nur auf den historischen Kontext sozialer Umwälzungen und dem Niedergang der Habsburger Fremdherrschaft, sondern lässt auch die Nachwehen des Mussolini-Faschismus in sein opulent bebildertes Kostümdrama einfließen. Im Mittelpunkt des Dramas steht die emotional in jeder Hinsicht unbefriedigte Gräfin Livia, die sich in dem Bemühen um ihren inhaftierten Cousin in einen jüngeren Offizier der Besatzer verliebt und darüber ihre eigenen politischen Ideale verrät. Das ist kunstvoll inszeniert und bringt die Dekadenz des alten Adels ebenso bildgewaltig zum Ausdruck wie den Verfall der Städte, der sich in der enttäuschten Liebe der Contessa brutal widerspiegelt.

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