Mit „Drei Farben: Blau“, dem Auftakt seiner „Drei
Farben“-Trilogie über die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wie sie
in der französischen Flagge symbolisiert werden, hat sich der polnische
Filmemacher Krzysztof Kieślowski („Dekalog“, „Die zwei Leben der Veronika“)
mit dem Gefühl der Freiheit auseinandergesetzt, doch musste seine durch Juliette
Binoche dargestellte Protagonistin trotz aller Bemühungen erkennen, dass
sich die Fesseln der Vergangenheit nicht ohne weiteres lösen lassen. Ähnlich
verhält es sich im zweiten Film „Drei Farben: Weiß“ (1994), der zwar in unmittelbarer
Umgebung der Schauplätze in Paris des ersten Films beginnt, dann aber in Kieślowskis
polnische Heimat zurückführt.
Inhalt:
Der polnische Frisör Karol (Zbigniew Zamachowski) hat
bei einem der internationalen Wettbewerbe seines Fachs die schöne Französin Dominique
(Julie Delpy) kennengelernt und lebt mit ihr nach der Heirat in Paris. Als
die sexuell frustrierte Frau die Scheidung einreicht, weil ihrer Aussage nach die
Ehe nicht vollzogen worden sei, bricht für Karol die Welt zusammen. Direkt nach
der Verhandlung stellt sie vor seinen Füßen einen Koffer mit seinen ganzen Habseligkeiten
ab und überlässt ihn seinem Schicksal. Da er mit seiner Karte kein Geld mehr
aus dem Automaten bekommt, irrt er ziellos durch die Pariser Metro und lernt dort
den wohlhabenden Landsmann Mikolaj (Janusz Gajos) kennen, der sich Karol
annimmt. Er schmuggelt den mittellosen Mann in dessen eigenen Koffer zurück in
die Heimat und kommt bei Jurek (Jerzy Stuhr) unter, der Karols
Frisörsalon seit dessen Umzug nach Paris geführt hat und froh ist, dass Karol
wieder einige der Frauen übernehmen kann. Doch Karol hat andere Pläne, als
wieder in seinem alten Beruf zu arbeiten. Er will schnell zu Geld kommen und
sich an Dominique rächen. Mit dem Startkapital, das ihm Mikolaj zur Verfügung
gestellt hat, übernimmt er das Geschäftsmodell der Gauner, für die er
angefangen hat zu arbeiten, und entwickelt ein feines Händchen für
Grundstückspekulationen. Schließlich inszeniert Karol den eigenen Tod, um
Dominique nach Polen zu seiner Beerdigung zu locken…
Kritik:
Kieślowski führt in „Drei Farben: Weiß“ die
Vorstellung von Gleichheit ad absurdum. Auch die Farbe Weiß, eigentlich mit
Begriffen wie Unschuld, Reinheit und Frieden assoziiert, kommt nicht so
deutlich zum Tragen wie das Blau im vorangegangenen Film. Es sind nur wenige
Akzente, wie der überbelichtete Blick auf die Braut oder die hin und wieder
eingesetzte Weißblende, mit denen Kieślowski dem Titel seines Films
gerecht wird. Seine Geschichte setzt den Fokus dagegen auf die Ungleichheit der
drei wesentlichen Figuren Karol, Dominique und Mikolaj. Am deutlichsten wird
der Unterschied natürlich zwischen dem unscheinbaren, naiv wirkenden Karol und
der schönen, berechenbaren Dominique deutlich. Nicht nur Sprachbarrieren
trennen die beiden voneinander, sondern auch die Unmöglichkeit, in der Ehe
gemeinsam sexuelle Lust zu empfinden. Wie aufgeschmissen Karol ohne seine Frau
ist, wird ihm schmerzlich nach der Scheidung bewusst, wenn er sein gesamtes
Leben in einem Koffer eingezwängt sieht. Viel ist das übrigens nicht. Und auch
zwischen den beiden Landsleuten Karol und Mikolaj liegen Welten. Mikolaj ist
zwar wohlhabend und hat Familie, ist des Lebens aber müde und will sich gegen
Geld umbringen lassen, damit der Schock für die Familie nicht so groß ist. Hier
strebt niemand nach Gleichheit. Polen hat gerade den Weg vom Kommunismus in den
Kapitalismus eingeschlagen, und genau diesen Weg geht auch Karol, wächst dabei
über sich hinaus und gewinnt sogar die sexuelle Potenz zurück, die er in der
Ehe mit Dominique vermissen ließ. In der Thematisierung des Themas bleibt Kieślowski allerdings sehr vage.

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