Der Tod in Venedig

Spricht man von Literaturverfilmungen, kommt man nicht umhin, in diesem Kontext vor allem Luchino Viscontis Adaption von Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ (1971) zu erwähnen, die nicht nur als eine der besten Literaturverfilmungen der Welt gilt, sondern auch eine Veränderung in der Rezeption von Thomas Manns Werk bewirkt hat.

Inhalt:

Der alternde Komponist Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde) befindet sich in einer tiefen Krise. Sowohl sein Privatleben als auch seine einst makellose Karriere liegen in Trümmern. In ständige Melancholie gehüllt, begibt er sich mit dem Dampfschiff Esmeralda nach Venedig und steigt im besten Haus am Lido, dem Grand Hotel Des Bains, ab. Doch auch die reizende Umgebung vermag seine Lebensgeister nicht zu reaktivieren. Bald begegnet er dem mit makelloser Schönheit gesegneten, polnischen Jüngling Tadzio (Björn Andresen), der sich mit seiner Familie, angeführt von einer Ehrfurcht erbietenden Mutter (Silvano Mangano), ebenfalls dort aufhält. 
Zunehmend entwickelt Aschenbach eine Obsession für den Jungen, den er regelrecht verfolgt, da er sich von ihm einen Ausweg aus der künstlerischen Stagnation verspricht. Von diesem Bild ausgehend, gleiten Aschenbachs Gedanken zurück zu einem langen Gespräch mit seinem Freund und Schüler Alfred (Mark Burns), der mit dem Werk des Lehrers vertraut ist. In der immer emotionaler und heftiger werdenden Auseinandersetzung diskutieren sie grundlegende Fragen der Ästhetik, die für Aschenbach mit seiner auch erzieherisch verstandenen Rolle als Künstler verbunden sind. Zentral ist hierbei die Frage, ob Schönheit künstlerisch oder natürlich entstehe und als Naturphänomen der Kunst überlegen sei. 
Alfred vertritt dabei vehement die These von ihrer Natürlichkeit. Schönheit bestehe aus vielen und häufig mehrdeutigen Elementen – Musik sei die Mehrdeutigkeit selbst, was er mit einer einfachen Melodie aus dem Finale der vierten Sinfonie Mahlers am Klavier demonstriert. In den folgenden Tagen beobachtet Aschenbach, wie der Junge mit seinen Gefährten spielt und im Meer badet. Er scheint beliebt und geachtet zu sein, da sein Name häufig gerufen wird und er beim Bau einer Sandburg Anweisungen erteilt. Sein engster Freund ist der kräftigere und dunkelhaarige Jaschu, ein Pole wie er, der in einer Szene den Arm um seine Schulter legt und ihn auf die Wange küsst, worauf der Beobachter lächelt und bald darauf einige am Strand erworbene Erdbeeren verzehrt. Kurz danach warnt ein britischer Hotelgast eindringlich davor, frisches Obst am Strand zu erwerben. Tags darauf berichtet ein freundlicher Reisebüroangestellter am Markusplatz zögernd von der indischen Cholera, die sich seit einigen Jahren ausbreite und auch in Venedig bereits viele Opfer gefordert habe. Er rät Aschenbach, lieber heute als morgen abzureisen. Während der ausführlichen Erklärung malt Aschenbach sich aus, wie er sich der vornehmen, perlengeschmückten Mutter Tadzios nähert, sie vor den Gefahren warnt und dem herbeigerufenen Sohn über den Kopf streichelt.
Es gelingt Aschenbach nicht, seine Leidenschaft für den Knaben platonisch zu bewältigen und weiter für sein Schaffen zu nutzen. Immer mehr verliert sich der Alternde in Tagträumen und Gefühlen für den unerreichbaren Jüngling, mit dem er kein Wort wechselt, der im Laufe der Zeit aber die Leidenschaft bemerkt und reagiert, indem er ihm geheimnisvolle Blicke zuwirft und für ihn posiert.
Zwar wiegelt der schmeichlerische Hoteldirektor (Romolo Valli) Aschenbachs Bedenken ab und spricht von aufgebauschten Skandalgeschichten der ausländischen Presse, doch der Komponist siecht zunehmend unter den Belastungen des Klimas und der in den Gassen Venedigs grassierenden Seuche zunehmend dahin…

Kritik:

Luchino Visconti fühlte sich seit jeher der deutschen Kultur, Literatur und Musik verbunden und schätzte neben Goethe vor allem Thomas Mann, dessen „(Der) Tod in Venedig“ zu Viscontis Lieblingslektüre zählte. In der Verfilmung der Novelle band Visconti aber über Rückblenden auch Manns Roman „Doktor Faustus“ ein, um so Fragen über die Natur der Schönheit und der Musikästhetik zu erörtern. Diesem Umstand dürfte es geschuldet sein, dass Visconti aus dem Schriftsteller im Roman einen Komponisten machte, was dem Regisseur zudem ermöglichte, einen Großteil der im Film verwendeten Musik mit Werken von Gustav Mahler zu versehen. Da die Geschichte mit einem Minimum an Handlung auskommen muss, sind es vor allem die inneren Monologe, die Erinnerungen an glückliche Szenen mit seiner Frau und der viel zu früh verstorbenen Tochter, vor allem aber die Dispute mit seinem Freund Alfred, die in der Verehrung des schönen Tadzio eine Neubewertung erfahren und ihn immer tiefer in den Abgrund ziehen. Visconti erweist sich als Meister der opernhaften Inszenierung, wenn er die Kamera durch die prunkvolle Architektur Venedigs und über die ausgelassenen Szenen am Strand schweifen lässt, wenn Dekadenz und Tod mit der seelischen Zerrüttung des Künstlers einhergehen.
Visconti drehte viele Szenen im Grand Hotel des Bains, in dem Thomas Mann 1911 seinen Urlaub verbracht hatte, der ihn zu der Novelle inspirierte. Mit seiner Familie gehörte der junge Visconti im Jahr darauf selbst zur vornehmen Gesellschaft des Hotels, die er dort knapp 60 Jahre später in seinem Film prunkvoll in Szene setzen sollte.

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