Oppenheimer
Spätestens mit seiner visuell berauschenden „The Dark
Knight“-Trilogie, mit der er das DC-Imperium rund um den Superhelden Batman
wieder salonfähig machte, avancierte Christopher Nolan zum neuen Hoffnungsträger
für großes Erzählkino made in Hollywood, was er mit weiteren Meisterwerken wie „Inception“
und „Interstellar“ nahtlos unter Beweis stellte. 2023 wagte sich Nolan
schließlich an ein Biopic über den „Vater der Atombombe“. Nach einer Biografie von
Kai Bird und Martin J. Sherwin präsentierte Nolan mit „Oppenheimer“
ein dreistündiges Epos, das die engen Verwicklungen zwischen Wissenschaft und
Politik aufzeigt.
Inhalt:
Mitte der 1950er Jahre muss sich der Physiker Julius Robert
Oppenheimer (Cillian Murphy) in einem obskuren Hinterzimmer-Verfahren gegen
die Entziehung seiner Sicherheitsfreigabe (und damit gegen den Verlust seines
Jobs) zur Wehr setzen und die Stationen seines Lebens und seiner Karriere
kommentieren. Er erzählt vom Studium in Europa und seinen zunächst losen
Bekanntschaften mit Wissenschaftlern wie Niels Bohr (Kenneth Branagh),
Albert Einstein (Tom Conti) und Werner Heisenberg (Matthias
Schweighöfer). Nach einigen Jahren kehrt Robert Oppenheimer in die
Vereinigten Staaten zurück und lehrt an der University of California, wo er die
in den USA bis dahin wenig beachtete Quantenphysik bekannter macht. Während
dieser Zeit lernt er weitere Physiker wie den Nobelpreisträger Ernest Lawrence (Josh
Hartnett) kennen, aber auch zwei Frauen, die sein Leben bestimmen: zunächst
die Psychiaterin und überzeugte Kommunistin Jean Tatlock (Florence Pugh),
mit der er eine mehrjährige Beziehung hat, und schließlich die Biologin und
Ex-Kommunistin Kitty Harrison (Emily Blunt), die er im Jahr 1940
heiratet. Während seiner Zeit in Berkeley freundet sich der politisch linke
Oppenheimer mit mehreren Kommunisten an und wird Mitgründer einer Gewerkschaft
für universitäre Mitarbeiter. Er selbst distanziert sich aber immer wieder vom
Kommunismus.
Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) wird Oppenheimer
von US-General Leslie R. Groves (Matt Damon), dem militärischen
Projektleiter für das Manhattan-Projekt, kontaktiert. Oppenheimer einigt sich
mit Groves darauf, im US-Bundesstaat New Mexico die abgesicherte Stadt Los
Alamos errichten zu lassen, in der die besten Wissenschaftler der Vereinigten
Staaten an der Entwicklung der Atombombe arbeiten sollen. Oppenheimer soll die
Leitung übernehmen. Er ist vor allem deshalb motiviert, da Heisenberg und
weitere renommierte deutsche Physiker an einem Uranprojekt für die
Nationalsozialisten arbeiten.
Oppenheimer wird zum „Vater der Atombombe“ ausgerufen, doch
nachdem seine tödliche Erfindung folgenschwer in Hiroshima und Nagasaki
eingesetzt wird, stürzt den gerade noch so jubelnden Oppenheimer in ernste
Zweifel. In einer weiteren Anhörung soll Lewis Strauss (Robert Downey Jr.)
als Handelsminister im Kabinett von Präsident Dwight D. Eisenhower bestätigt
werden. Doch bald geht es um seine Beziehung zu Oppenheimer nach dem Krieg.
Denn Strauss stand der amerikanischen Atomenergiebehörde vor, die von dem
Physiker beraten wurde. Als sich Oppenheimer immer stärker gegen Strauss und
ein Wettrüsten mit Russland stellt und für eine internationale Kontrolle der
Kernenergie plädiert, kommen die alten Verbindungen des Physikers zum
Kommunismus wieder zur Sprache...
Kritik:
Es muss Christopher Nolan enorm gereizt haben, eine
so kontroverse Figur wie Robert Oppenheimer zu portraitieren, der zwar
mit dem Manhattan Projekt und der Erfindung der Atombombe maßgeblich zur
Beendigung des Zweiten Weltkriegs beigetragen hat, sich aber durchaus bewusst
war, dass er damit die Büchse der Pandora öffnete, weshalb er sich vehement
gegen die Entwicklung der noch zerstörerischen Wasserstoffbombe wehrte. Nolan,
der auch das Drehbuch zu „Oppenheimer“ verfasste, nutzt Oppenheimers
Anhörung im Jahr 1954 anlässlich der drohenden Entziehung seiner
Sicherheitsfreigabe, um in nicht chronologischen Rückblicken die
wissenschaftlichen und privaten Stationen in Oppenheimers Leben nachzuerzählen,
wobei die Verbindung zu den Kommunisten und den beiden Frauen Jean und Kitty
besondere Schwerpunkte bilden.
Auf der anderen Seite kommt Oppenheimer stärkster
Gegner, Lewis Strauss, zu Wort, der ebenfalls in einer Anhörung Stellung
beziehen muss. Seine Sicht der Dinge wird in ausdrucksvollen Schwarzweißbildern
geschildert, was dem ohnehin stark geforderten Publikum zumindest die
Orientierung erleichtert. Denn thematisch wagt Nolan Großes. Er versucht
nicht nur, die Theorien zur Quantenphysik und die Positionen der verschiedenen
beteiligten Wissenschaftler zu skizzieren (was in einem fast unüberschaubaren Kurzauftritten
von Hollywoodstars wie Kenneth Branagh, Josh Hartnett und Tom Conti
mündet), sondern auch die Auseinandersetzung mit kommunistischen Wegbegleitern,
Gewerkschaftsambitionen und Spionageverdächtigungen im Arbeitsumfeld des hermetisch
abgeriegelten Komplexes von Los Alamos unterzubringen.
Unzweifelhaft bleibt,
wie akribisch Oppenheimer den Wettlauf um den Bau der Atombombe gegen die Nazis
vorantrieb, doch ebenso deutlich arbeitet Nolan die Zweifel des
Wissenschaftlers nach dem Abwurf der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki heraus,
bei dem so viele zivile Opfer zu beklagen waren. Natürlich sind die Atombombentests
spektakulär in Szene gesetzt, Ludwig Göransson („Tenet“, „Black
Panther“) steuerte einen passend opulenten Score bei, aber am
eindrucksvollsten fallen neben der gekonnten Inszenierung wohl die
Darstellerleistungen von Cillian Murphy, Emily Blunt, Robert Downey Jr. und
Matt Damon aus. Das ist kein leicht verdauliches Popcorn-Kino, aber auf
jeden Fall sehenswerte Geschichtslektion in berauschenden Bildern.
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