Die Nonne

Mit seinem Regiedebüt „Paris gehört uns“ (1961) hat sich Jacques Rivette gleich als Weggefährte der Nouvelle Vague etabliert, doch sollte es fünf ganze Jahre dauern, bis er mit „Die Nonne“ sein nächstes Werk präsentieren sollte. Nach einem Roman des französischen Schriftstellers und Philosophen Denis Diderot, der nicht nur die Frage nach der Freiheit des Einzelnen im Staate stellte, sondern auch die Deutungshoheit der Kirche und des Staates anprangerte, entstand ein frühes Meisterwerk von Rivette, der später mit Filmen wie „Die Viererbande“, „Die schöne Querulantin“ und „Die Geschichte von Marie und Julien“ weltberühmt werden sollte.

Inhalt:

Paris im Jahr 1757. Die junge Suzanne Simonin (Anna Karina) soll im Braut Christi das Gelübde eines klösterlichen Lebens ablegen, doch im letzten Moment verweigert es die junge Frau und bringt durch diesen Skandal ihre Familie gegen sich auf. Besonders ihre Mutter bedrängt sie, habe Suzanne als uneheliche Tochter doch kaum Hoffnung auf ein sorgenfreies Leben oder Milde, noch dazu sei für sie als dritte Tochter keine Aussteuer mehr vorhanden. Aus Furcht, ihre Mutter noch weiter ins Unglück zu stürzen und in Sünde zu leben, willigt Suzanne letztlich ein und geht als Novizin in das Kloster der Mme de Moni (Micheline Presle), in der die junge Frau für kurze Zeit eine Freundin und Vertraute findet. Als Moni jedoch verstirbt, wird Schwester Sainte-Christine (Francine Bergé) eingesetzt, die in Suzanne die Ausgeburt der Sünde sieht und die fortan immerzu bestraft. Nur unter großem Einsatz und vieler Entbehrungen gelingt es Suzanne, in das Kloster Mme de Chelles (Liselotte Pulver) versetzt zu werden, das ihr aber nur kurz Seelenfrieden bringt, denn die neue Äbtissin beginnt schon nach kurzer Zeit die körperlich zu bedrängen. Da Suzanne diese Annäherungsversuche abwehrt, verfällt die Äbtissin immer mehr dem Wahnsinn. Für Suzanne steht fest, dass nur ein Leben außerhalb des Klosters in Freiheit ihr Frieden geben kann, doch der Weg dahin ist schwierig…

Kritik:

Es verwundert nicht, dass „Die Nonne“ in Frankreich zum Kinostart verboten worden ist, erzählt die Geschichte einer jungen Frau doch von Machtmissbrauch, Bigotterie und Fanatismus in gleich drei Klöstern. Rivette geht es in seinem zweiten Film um die Enttarnung der inhärenten Heuchelei der herrschenden Klasse, die unter dem Deckmantel der Moral und Ordnung den Status Quo zu verteidigen beabsichtigen. Die von Anna Karina („Alphaville“, „Elf Uhr nachts“, „Eine Frau ist eine Frau“) überzeugend wie ein gehetztes Tier gespielte Novizin sieht sich als Spielball der sadistischen Triebe einer letztlich patriarchalischen Ordnung, denn gerade zum Schluss bestätigt sich einmal mehr, dass Suzannes Glück von der Gunst der Männer abhängig ist. Der freie Wille und das Gefühl von Freiheit wird innerhalb der Klostermauern durch die streng reglementierten Abläufe und Maßregelungen schnell gebrochen. Das alles fängt Rivette mit atmosphärisch dichten Bildern ein, die Suzanne auf Schritt und Tritt verfolgt.

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