Die zwei Gesichter einer Frau
Nachdem sie sich von ihrem verhassten „Sissi“-Image
erfolgreich gelöst hatte, avancierte Romy Schneider in den 1960er und
1970er Jahren mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Filmproduktionen zu
einem von Kritikern und Publikum gleichermaßen geschätzten Star. Doch das
Scheitern ihrer Ehe, die Alkohol- und Medikamentensucht sowie vor allem der tragische
Unfalltod ihres Sohnes setzten ihr in den 1980er Jahren so zu, dass sie unter
ernsten gesundheitlichen Problemen litt und 1982 mit „Die Spaziergängerin
von Sans-Souci“ ihren letzten Film präsentierte. Zuvor entstand mit Dino
Risis „Die zwei Gesichter einer Frau“ (1981) ein Mystery-Drama, das
wie ein Vorbote für Romy Schneiders eigenes Drama wirkt.
Inhalt:
Manchmal versucht sich der Steuerberater Nino Monti (Marcello
Mastroianni) selbst zu überraschen und macht die Dinge anders als
gewöhnlich. So fährt er eines Tages in Pavia mit dem Bus statt mit dem
Luxuswagen zur Arbeit und trifft auf eine ältere Frau (Romy Schneider),
die kein Kleingeld bei sich hat, um einen Fahrschein zu kaufen. Als Nino ihr
mit einer 100-Lire-Münze aushilft, ahnt er noch nicht, dass es sich um seine
Jugendliebe Anna Brigatti handelt, die inzwischen so stark gealtert ist und so
kränklich aussieht, dass er sie nicht wiedererkannt hatte. Noch am Abend ruft
sie bei ihm an und konfrontiert Nino mit ihrer Identität. Zunächst kann es Nino
kaum glauben, doch wenig später ist er völlig von ihr besessen und möchte sie
unbedingt wiedersehen, vernachlässigt in seinem Wahn sogar seine Ehe mit Teresa
(Eva Maria Meineke). Tatsächlich wird es das Wiedersehen geben. Umso
schockierter ist er, als ein befreundeter Arzt, der Anna kannte, ihm sagt, sie
sei vor drei Jahren gestorben.
Nino kann und will es nicht glauben, nimmt Annas
Einladung an, um sie in einem Herrenhaus auf dem Land zu besuchen. Dort
empfängt sie ihn, jung und gut aussehend wie in früheren Tagen, doch inzwischen
ist sie mit dem Hausbesitzer verheiratet, Graf Zighi (Wolfgang Preiss).
Um sich wieder wie früher lieben zu können, treffen sie sich auf einem Boot auf
dem Fluss – doch Anna fällt aus dem Boot und sinkt ins Wasser. Nino verständigt
zwar die Polizei, doch die nach Anna bleibt erfolglos. Als seine Frau ihn
verlässt, stellt Nino Nachforschungen über Anna an; und er muss sich
eingestehen, dass die Dinge, derer er so gewiss war, nicht so sind wie erhofft…
Kritik:
Dino Risi („Verliebt in scharfe Kurven“, „Der Duft
der Frauen“) hat mit „Fantasma d’amore“ einen Roman von Mino
Milani aus der Sicht des arrivierten Steuerberaters verfilmt, der in der
Ehe mit der älteren, resolut auftretenden Teresa kein echtes Glück mehr
empfindet und deshalb umso empfänglicher für die merkwürdige Begegnung mit
seiner Jugendliebe Anna ist und fortan in romantischen Erinnerungen an ihre gemeinsame
Zeit voller Zärtlichkeit, Leidenschaft, Lachen und Glück schwelgt. Diese leicht
überbelichteten Bilder, in der die unmittelbare Umgebung verschwommen wirkt,
bilden einen krassen Kontrast zu der trüben Gegenwart, die sich nicht nur in
der gefühlskalten Ehe manifestiert, sondern auch in den verlassen wirkenden
Straßen, in denen der Putz von den Wänden bröckelt und die im Nebel versinken.
Zu
den mystisch angehauchten Bildkompositionen passen Riz Ortolanis melancholische
Klänge und der in einer Nebenhandlung thematisierte Mord an einer Hauswirtin,
der brutal die Kehle aufgeschlitzt worden ist. Dieser Mord und seine nur
marginal thematisierte Aufklärung bleiben ebenso geheimnisvoll wie die
Beschreibung der Beziehung zwischen Nino und Anna. Romy Schneider glänzt
vor allem in den Szenen, die Ninos Erinnerungen entspringen, wenn sie sich als ebenso
schöne wie charmante Frau voller Lebenslust präsentieren kann, was umso
bemerkenswerter ist, wenn man weiß, dass Schneider sich unter dem Alkohol- und
Medikamentenrauch während der Dreharbeiten schwer konzentrieren konnte und
sogar zusammengebrochen ist. Aber auch als verhärmte, kränkliche alte Frau
zeigt Romy Schneider ihr vielschichtiges Können, während Marcello
Mastroianni („La dolce vita – Das süße Leben“, „8 ½“) als ein voll
im Leben stehender Mann überzeugt, der sich allzu bereitwillig in dem Bild einer
romantisch verklärten Vergangenheit verliert. So ästhetisch anspruchsvoll und
gefällig „Die zwei Gesichter einer Frau“ auch inszeniert ist, leidet der
Film doch unter der zähen, leidlichen spannenden Dramaturgie.
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