Acht Stunden sind kein Tag

Obwohl Rainer Werner Fassbinder nur 37 Jahre alt wurde, hinterließ der Filmemacher ein umfangreiches Werk von über vierzig Filmen und die berühmte Adaption von Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ als 14-teilige Serie. Zu seinen bemerkenswertesten Arbeiten für den WDR zählt die 1972 entstandene Mini-Serie „Acht Stunden sind kein Tag“, die allerdings nach fünf Folgen verfrüht abgesetzt worden ist, weil die Utopie selbstbestimmter Arbeit, die die Serie thematisierte, als zu realitätsfern betrachtet wurde.

Inhalt:

Zu Omas (Luise Ullrich) Geburtstag versammelt sich die ganze Familie bei den Epps. Während die verwitwete, noch sehr rüstige Dame mit der steifen Tante Klara (Christine Oesterlein), ihrer Tochter Käthe (Anita Bucher), ihrem Schwiegersohn Wolf (Wolfrid Lier), ihrem Enkel Jochen (Gottfried John) und dessen besten Freund und Arbeitskollegen Manfred (Wolfgang Zerlett) leutselig Sekt und Schnaps konsumiert, liegt der Haussegen bei ihrer Enkelin Monika (Renate Roland) und deren Mann Harald (Kurt Raab) schief. Nachdem Harald der gemeinsamen Tochter Sylvia (Andrea Schober) eine Ohrfeige verpasst hat, wird Jochen zum Sektholen geschickt. In der Automatenhalle lernt er dabei Marion (Hanna Schygulla) kennen, die in der Anzeigenaufnahme bei einer Zeitung arbeitet und sich darauf einlässt, Jochen zum Geburtstag seiner Oma zu begleiten, die ebenso wie er selbst noch in der Wohnung seiner Eltern lebt, doch mit den Heiratsplänen, die sie sehr bald entwickeln, entsteht auch der Wunsch nach einem eigenen Lebenszentrum. 
Derweil will sich Jochen, der als Mechaniker in einer Werkzeugfabrik arbeitet, mit seinen Kollegen nicht damit abfinden, dass die von der Geschäftsleitung zugesagte Erfolgsprämie bei Fertigstellung des Auftrags vor Fristende nicht auszahlen will, nachdem Jochens finanziell honorierter Verbesserungsvorschlag dafür gesorgt hatte, dass die Arbeitsprozesse vereinfacht werden konnten. Als auch noch bekannt wird, dass die Firma eine neue Maschinenhalle in einem Randbezirk bauen will, pochen Jochen und seine Kollegen auf Forderungen für ein besseres Arbeitsumfeld. Erstaunlicherweise zeigt sich Dr. Betram (Klaus Löwitsch) offen für den Versuch, den kommenden Auftrag im Rahmen der Firmenrichtlinien eigenverantwortlich abzuwickeln und die Hälfte des Gewinns aus den eingesparten Stunden an die Arbeiter auszuzahlen. Oma lernt mit dem Witwer Gregor (Werner Finck) einen Mann kennen, mit dem sie verzweifelt eine eigene Wohnung sucht, aber da sie nur 217 Mark zur Verfügung haben, gestaltet sich die Suche schwierig…

Kritik:

Fassbinder wollte mit „Acht Stunden sind kein Tag“ ein bewusstes Zeichen gegen die üblichen „Heile Welt“-Produktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens setzen und sich mit realen Problemen einfacher Menschen auseinandersetzen. 50 Jahre nach Ausstrahlung der Serie wirkt zwar einiges logischerweise sehr anachronistisch, aber Fassbinder gewährt auch einen tiefen Einblick in die Befindlichkeiten von einfachen Arbeitern, von denen sich einige ihrem Schicksal fügen, andere aber mehr wollen, als nur für die Chefs die schmutzige Arbeit zu verrichten. 
Damals war von Work-Life-Balance, familienfreundlichen Arbeitsmodellen und verschiedenen Benefits noch längst nicht die Rede, aber die Art, wie sich hier Arbeiter miteinander solidarisieren und geschlossen mit wohlüberlegten Verbesserungswünschen an die Geschäftsleitung herantreten, darf durchaus als Vorbote dieser Entwicklung angesehen werden. Dazu kommen Themen zur Sprache, die heute so aktuell sind wie damals, Mietwucher, Fremdenhass, Klassenschranken und fehlende Betreuungseinrichtungen für Kinder. Trotz dieser gesellschaftskritischen Ausrichtung stattete Fassbinder seine Figuren mit einem ansteckenden Optimismus aus, der die Probleme offensiv anpackte, doch das ging den Fernsehverantwortlichen wohl zu weit.
Als der WDR im Oktober 1972 das TV-Magazin „Glashaus – TV intern“ an den Start brachte, in dem sich das Fernsehen im Fernsehen einer medienkritischen Betrachtung aussetzte, wurde Fassbinders Serie so verrissen, dass sie nach fünf Folgen vorzeitig abgesetzt wurde. Als Grund für die Absetzung wurden die Realitätsferne und Gewerkschaftslastigkeit der Drehbücher genannt.

"Acht Stunden sind kein Tag" in der IMDb

 

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