Lolita (1997)

Vladimir Nabokovs 1955 veröffentlichter Roman „Lolita“ wurde bereits 1962 von niemand geringerem als Meisterregisseur Stanley Kubrick verfilmt, sorgte aber nicht für die Provokation, die noch Nabokovs Romanvorlage verursachte. 35 Jahre nach Kubricks halbwegs gescheiterten Versuch, dem Roman auf der Leinwand gerecht zu werden, machte sich der durch Erotik-Thriller wie „9 ½ Wochen“, „Eine verhängnisvolle Affäre“ und „Ein unmoralisches Angebot“ bekannt Adrian Lyne an einer Neuverfilmung, doch gelang ihm noch weniger, die vielschichtigen Motive des Romans herauszuarbeiten.

Inhalt:

Humbert Humbert (Jeremy Irons) kommt im Jahr 1947 aus Europa in die USA, um dort als Professor für französische Literatur am College in Beardsley, Ohio, zu unterrichten. Den Sommer verbringt er in New Hampshire, wo er zur Untermiete in das Haus der Witwe Charlotte Haze (Melanie Griffith) einzieht, die eine bezaubernde Tochter namens Lolita (Dominique Swain) hat. Der Professor, der an einem Buch über französische Literatur schreibt, fühlt sich von dem erst zwölf Jahre alten Mädchen angezogen. Um ihr nahe sein zu können, heiratet Humbert die Witwe, die er eigentlich verabscheut und die er mit Schlafpillen betäubt, um seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommen zu müssen.Als Charlotte seine verschlossene Schreibtischschublade aufbricht und in seinem Tagebuch liest, erfährt sie von den erotischen Obsessionen des Professors, stürmt aus dem Haus und stirbt bei einem Autounfall. Nachdem Humbert sich gefasst hat, holt er Dolores vorzeitig aus dem Ferienlager ab, erzählt ihr jedoch zunächst nicht vom Tod ihrer Mutter. Er begibt sich mit ihr in ein Hotel, in dem die beiden zum ersten Mal flüchtig auf den Theaterautor Clare Quilty (Frank Langella) treffen, dem Dolores sofort ins Auge fällt. Schließlich teilt Humbert Dolores den Tod der Mutter mit. Die beiden reisen per Auto durch Amerika, wobei sich eine leidenschaftliche Liaison entwickelt. Auf dem Weg durch die Länder und Orte, durch die ihre Reise führt, plagt Humbert immer mehr sein schlechtes Gewissen. Eines Tages lassen sie sich in einer Kleinstadt Neuenglands nieder und beginnen dort ein neues Leben. Humbert gibt sich nun als der Vater von Dolores aus und geht weiterhin seinem Beruf als Professor nach; während die mittlerweile 14-jährige Dolores zur Schule geht.
Als Humbert erfährt, dass Dolores unüblicherweise zwei Klavierstunden versäumt hat, entsteht ein heftiger Streit, nach dem Dolores wegläuft. Humbert findet sie in einer Kneipe wieder und sie beschließen, den Wohnort zu verlassen und erneut durch Amerika zu reisen. Während dieser Reise werden sie – wie sich später herausstellt von Quilty – verfolgt, der es auf Lolita abgesehen hat…

Kritik:

In Stanley Kubricks „Lolita“ durfte James Mason in der Rolle des Literaturprofessors nur die Idee des Verliebtseins lieben, doch kam eine körperliche Befriedigung seiner Liebe nie in Frage. Adrian Lyne und sein Drehbuchautor Stephen Schiff („Tief wie der Ozean“, „Wall Street: Geld schläft nicht“) haben an der Thematisierung moralischer Unwägbarkeiten allerdings kein Interesse. Wenn die Kamera in Zeitlupe einfängt, wie die Kleidung der Zahnspange tragenden Dolores von einem Rasensprenger durchnässt wird, geht es nur um das körperliche Verlangen, das der Literaturprofessor bei ihrem Anblick empfindet. Erklärt wird diese Gefühlsaufwallung mit der dramatisch endenden ersten Liebe, die Humbert im Alter von vierzehn Jahren erlebte, als sein Mädchen an Typhus verstarb und er eine Wunde zurückbehielt, die nie heilen sollte. 
Im Gegensatz zu Kubricks Version steht Lynes „Lolita“ ganz im Zeichen der Verführung des Professors durch das frühreife Objekt seiner Begierde, und die Reise durch Amerika eröffnet dem Paar, das sich als Vater und Tochter ausgibt, alle Möglichkeiten, ihre letztlich natürlich zum Scheitern verurteilte Affäre leidenschaftlich auszuleben. Überraschenderweise erspart Lyne dem Publikum allzu freizügige Szenen, aber zu einer psychologisch tiefgründigen Aufarbeitung der Beziehung lässt sich nicht herab. Stattdessen präsentiert er mit dem pädophilen Autor Quilty noch eine haarsträubendere, bis ins Karikaturhafte verzerrte Version von Humbert und sorgt so für den Absturz seines Filmprojekts. „Lolita“ gewinnt nur durch die überzeugende Darstellung von Jeremy Irons („Verhängnis“, „Die Unzertrennlichen“), während Dominique Swain („Im Körper des Feindes“, „Alpha Dog“) kaum die Ausstrahlung transportiert, um als Nymphe einen Mann zu verführen, der ihr Vater sein könnte.

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