Das Geheimnis von Oberwald
Nicht nur das Publikum war überrascht, dass Michelangelo
Antonioni fünf Jahre nach seinem großartigen Hollywood-Einstand mit „Beruf:
Reporter“ (1975) ausgerechnet mit seinem ersten Kostümfilm zurückkehrte,
sondern diesen auch für das Fernsehen produzierte. Auch Antonioni selbst
bezeichnet die Umstände des Entstehens von „Das Geheimnis von Oberwald“
(1980) als Rätsel. Am einfachsten scheint die Erklärung, dass der Film auf
Drängen von Monica Vitti entstanden ist, die Antonioni als
Regisseur bei der Theaterproduktion von John van Drutens „I Am a Camera“ in den
1950er Jahren kennengelernt hatte und mit der er in den 1960er Jahren seine berühmte
Tetralogie der Entfremdung („Die mit der Liebe spielen“, „Die Nacht“, „Liebe
1962“, „Rote Wüste“) realisierte.
Inhalt:
Nachdem ihr Mann vor zehn Jahren einem Attentat zum Opfer
gefallen ist, lebt die Königin (Monica Vitti) Anfang des 20.
Jahrhunderts sehr zurückgezogen und überlässt die Regierungsgeschäfte in ihrem
nicht näher bestimmten Reich ihren Ministern und dem ehrgeizigen Polizeichef. Die
Zügel hält ohnehin ihre Schwiegermutter in der Hand. Als sie in einer
stürmischen Nacht das heruntergekommene Schloss in Oberwald aufsucht, jagt die
Polizei einen mutmaßlichen Attentäter, der nach einer Knieverletzung Unterschlupf
im Schloss findet. Er kommt aus einem hinter dem Bild ihres verstorbenen Mannes
hervor und fällt ihn Ohnmacht, bevor er die Königin töten kann. Ihr fällt aber
sofort die Ähnlichkeit zwischen dem Mann und dem verstorbenen König auf.
Sie
versteckt Sebastian vor den nach ihm suchenden Polizisten und dem ehrgeizigen
Grafen von Foehn (Paolo Bonacelli), der zusammen mit der Vorleserin der
Königin, Edith de Berg (Elisabetta Pozzi), offensichtlich hinter den
Intrigen gegen die Königin steckt, und erfährt in einem Gespräch mit ihm, dass
er der Dichter ist, der ein subversives Gedicht geschrieben hat, das sich gegen
sie richtete, das sie aber so sehr mochte, dass sie es vervielfältigen ließ. Die
beiden verlieben sich ineinander, und Sebastian legt der Königin nahe, das
Regieren selbst in die Hand zu nehmen und den Grafen von Foehn mit seinen Leuten
aus dem Verkehr zu ziehen. Doch ihre Liebe hat keine Zukunft…
Kritik:
Mit „Das Geheimnis von Oberwald“ adaptierte Antonioni
Jean Cocteaus Stück „L‘Aigle à deux têtes“ (1946), das entfernt auf
der Geschichte Ludwigs II. von Bayern und der Kaiserin Elisabeth von
Österreich basiert und das Cocteau zu einer neuen Geschichte, der Antonioni
aber zusammen mit seinem Co-Autor Tonino Guerra den historischen
Kontext entzog. Geblieben ist ein ungewöhnlich dialoglastiges Kostümdrama, das Antonioni
die Gelegenheit bot, mit elektronischen Kameras und Magnetbändern zu
experimentieren, so dass er die Farben vor Ort mischen konnte.
Ungewöhnlich erscheint
vor allem der Gebrauch von extremen Farbfiltern, so dass die Burgmauern im
Sturm grün erscheinen, der intrigante Graf und seine unmittelbare Umgebung blau
eingefärbt wird und die Wiesen und Bäume am Tag in grell leuchtenden Gelb- und
Grüntönen erstrahlen. Gewohnt souverän agiert Antonionis Muse Monica
Vitti als lustwandelnde, halb trauernde, halb desillusionierte Regentin,
die durch den Anarchisten Sebastian neuen Lebensmut schöpft. Das Ganze wird von
klassischen Klängen untermalt, die Richard Strauss („Eine Alpensinfonie“,
„Tod und Verklärung“, „Don Quijote“), Johannes Brahms („Sinfonie Nr. 1“)
und Arnold Schönberg („Verklärte Nacht“) beigesteuert haben.
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