Fallen Angels

Bereits mit seinen vorangegangenen Filmen hat es sich Hongkongs Arthouse-Filmer Wong Kar-Wai zur Regel gemacht, eine lose Anzahl von Figuren zu begleiten, wie sie sich von der Trennung früherer Geliebter erholen und eine neue Liebe zu finden versuchen, wobei er das Ganze in neongrellen Farben in ungewöhnlichen Perspektiven und ästhetisierten Montagen und mit einem dazu passenden Soundtrack verpackte. Sein 1995 entstandener Film „Fallen Angels“ darf als direkte Fortführung von „Chungking Express“ verstanden werden, war er doch als dritte Episode der beiden im Vorgängerfilm angedacht, die dann aber bereits Spielfilmlänge eingenommen haben.

Inhalt:

Ein junger Auftragskiller (Leon Lai) hat nach 155 Tagen genug von seinem Job und lässt seiner Agentin (Michele Reis), die ihm die Aufträge vermittelt, über die Bedienung einer Bar mit der Nachricht, dass die 1818 seine Glückszahl sei, mitteilen, dass er die Beziehung beenden möchte. Die Zahl bezieht sich auf eine Nummer in der Musikbox mit dem Lied „Forget Him“. Der Killer hat nämlich gerade seine alte Flamme Punkie (Karen Mok) wiedergetroffen und stürzt sich in eine neue Beziehung mit ihr. Die Agentin ist über die Beendigung des Verhältnisses mit dem Killer alles andere als glücklich, hegt sie doch eine geheime Leidenschaft für ihn. Sie hat ihm nicht nur die Pläne der Orte zugefaxt, in denen er seine Opfer liquidieren soll, sondern räumte auch seine Wohnung auf. Erst am Ende ihrer Geschäftsbeziehung treffen sie sich persönlich. 
Der Kleinkriminelle Ho Chi Mo (Takeshi Kaneshiro) spricht kein Wort, seit er als Kind den Inhalt abgelaufener Ananasdosen verzehrt hatte, und steigt nachts in bereits geschlossene Läden ein, um den Passanten seine Waren aufzuzwingen. Gemeinsam mit seinem Vater bewohnt er ein Apartment in den Chungking Mansions, einer mit Menschen vollgestopften Wohnanlage Hongkongs. Obwohl Ho nicht mit den Menschen spricht, sehnt er sich nach Wärme und sucht Kontakt. 
Als er die hyperaktive Cherry (Charlie Yeung) kennenlernt, die auf der Suche nach „Blondie“ ist, die ihr den Freund ausgespannt hat, begibt er sich mit ihr auf die hoffnungslose Suche und verliebt sich in sie, während Cherry noch an ihrem Ex hängt...

Kritik:

Ebenso wie in „Chungking Express“ begleitet Wong Kar-Wai seine sehr jungen Figuren durch zufällig wirkende Momente ihres Lebens, lässt sie aufeinander zugehen und wieder abprallen, und wie eine Flipperkugel betritt nach einem harten Schnitt die nächste Figur die Bühne. Hier übt niemand einen klassischen Beruf aus, sondern jeder schafft sich aus der Not heraus sein ganz eigenes Leben. 
Hier ist der Killer, der aus seiner Unlust, Entscheidungen zu treffen, froh ist, dass er von seiner Agentin Ort und Zielpersonen mitgeteilt bekommt und er nur noch den Auftrag ausführen muss. Die Agentin wiederum droht an der unerwiderten Liebe zu ihm zu zerbrechen, verschafft sich Zugang zu seiner Wohnung und masturbiert verzweifelt auf dem Bett ihres Partners, der nicht mehr ihr Partner sein will. Unglücklich verläuft auch die Liaison zwischen dem stummen Kleinkriminellen Ho Chi Mo und der hyperaktiven Cherry. Mit Fragmenten wie dem Video, das Ho Chi Mo von seinem Vater dreht, das dieser sich an seinem 60. Geburtstag vergnügt anschaut, der blonden Gummipuppe, die er Cherry zum Abreagieren ihrer Rachegefühle gegen Blondie besorgt, und dem Eiswagen, mit dem er nachts eine ganze Familie durch Hongkong kutschiert, verleiht Wong Kar-Wai den verzweifelt um Liebe suchenden Menschen etwas Persönlichkeit. Dabei variiert er zwischen Kitsch und Action, lässt seinen Haus-Kameramann Christopher Doyle mit greller Musikclip-Ästhetik ein Tableau bereitstellen, das mit schnellen Schnitten, extremen Weitwinkelaufnahmen, Zeitraffer und Zeitlupen, Schwarzweiß- und Stop-Motion-Bildern eine wilde, fieberglänzende Achterbahnfahrt der Gefühle zeichnet, bei der die Liebe ein kurzes Verfalldatum zu haben scheint.

Kommentare

Beliebte Posts