Die Dame ohne Kamelien
Mit seinem Langfilmregiedebüt „Chronik einer Liebe“
(1950) musste Michelangelo Antonioni viel Kritik einstecken, wagte er
sich doch aus den Milieus der Arbeiter und Armen heraus, die im Nachkriegsitalien
den Neorealismus von Regisseuren wie Roberto Rossellini, Vittorio de Sica
und Giuseppe De Santis die Handlung bestimmten, und thematisierte die
unglückliche Liebe einer durch Heirat zu Wohlstand gekommenen jungen Frau zu
einem erfolglosen Autohändler. Nach der dokumentarisch anmutenden
Auftragsarbeit „Kinder unserer Zeit“ (1952) kehrte Antonioni mit „Die
Dame ohne Kamelien“ (1953) wieder zu seinem bevorzugten Thema zurück: Der
Entfremdung des urbanen Menschen von sich selbst und seinen Mitmenschen.
Inhalt:
Die junge Verkäuferin Clara (Lucia Bosè) wurde wegen
ihres Aussehens für den Film entdeckt. Zum Premierenpublikum gehören auch die
Produzenten Ercolino (Gino Cervi) und Gianni (Andrea Cecchi),
deren Autoren und ein Regisseur. Zwar halten die Filmschaffenden das seichte
Melodram für eher mäßig, attestieren der Hauptdarstellerin aber Sexappeal, das entsprechend
eingesetzt werden will. Unerfahren und naiv wie Clara ist, lässt sie sich von ihrem
Produzenten Gianni zu einer Hochzeit mit ihm drängen, worauf der bereits in Arbeit
befindliche nächste Film abgebrochen wird: Gianni möchte seine Gattin nunmehr
in seriösen Filmen sehen. Er dreht im Alleingang eine „Jeanne d‘Arc“-Version,
die beim Publikum durchfällt und ihn an den Rand des Ruins bringt.
Auch die Ehe
zwischen Gianni und Clara scheitert. Trost findet Clara beim verheirateten
Konsul Nardo (Ivan Desny), mit dem sie eine Affäre beginnt. Als sie
schließlich bereit ist, Gianni zu verlassen, lässt sie Nardo im Stich, und
Clara muss versuchen, sich als Persönlichkeit und Schauspielerin selbst zu
finden. Sie bittet ihren Ex-Mann um eine anspruchsvolle Rolle in seinem Film, doch
erklärt er ihr kühl, dass ein lasziver Part ihrem Wesen doch eher entspräche…
Kritik:
Eigentlich wollte Antonioni gern Gina Lollobrigida
für die Rolle der Clara verpflichten, doch reagierte sie beleidigt, weil sie
glaubte, die Rolle der Protagonistin sei ihrer eigenen nachempfunden, worauf
der Filmemacher wieder auf Lucia Bosè zurückgriff, die sich bereits in
seinem Debüt in der weiblichen Hauptrolle hervortat.
Erneut verkörpert Bosè
eine Frau, die aus einfachen Verhältnissen stammt und durch ihr attraktives
Äußeres in die Welt der Reichen und Schönen aufsteigt, dort aber nicht
glücklich wird. Nachdem ihre Ehe mit dem eitlen Gianni gescheitert ist und Konsul
Nardo offenbar nur daran interessiert gewesen war, eine Affäre mit einem
Filmsternchen zu genießen, vertraut sie sich schließlich ihrem erfahrenen
Schauspielkollegen Lodi (Alain Cuny) an, der ihr raten soll, ob sie
tatsächlich eine Karriere als Schauspielerin einschlagen soll.
Auch wenn „Die
Dame ohne Kamelien“ wie eine Seifenoper ohne große Gefühle daherkommt, gewährt
die Anspielung auf die Karriere italienischer Filmdiven wie Gina
Lollobrigida und Sophia Loren doch einen Einblick in die italienische
Filmproduktion in den 1950er Jahren und beleuchtet die schäbige Seite der
römischen Traumfabrik Cinecittà.
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