Nocturnal Animals

Gleich mit seinem ersten Spielfilm „A Single Man“ gelang Tom Ford, der zuvor als Modedesigner und kreativer Direktor bei Gucci und Yves Saint Laurent für Furore gesorgt hatte, ein Publikums- und Kritiker-Erfolg, der auch Colin Firth eine Oscar-Nominierung als Bester Hauptdarsteller einbrachte. Sieben Jahre später folgte mit „Nocturnal Animals“ ein weiteres Meisterwerk, das immerhin für einen weiteren Oscar und drei Golden Globes nominiert worden war und nun via Universal auch fürs Heimkino erhältlich ist.
Die erfolgreiche Galeristin Susan (Amy Adams) versucht gerade ihre Enttäuschung darüber zu verarbeiten, dass ihr Mann Hutton (Armie Hammer) nicht zur Eröffnung ihrer aktuellen Ausstellung gekommen ist, als sie ihm den Vorschlag unterbreitet, über das Wochenende an den Strand zu fahren. Doch der unter Erfolgsdruck stehende Geschäftsmann ist nur auf dem Sprung und muss schon wieder für einen weiteren Termin nach New York zurückfliegen.
Da bekommt sie das Manuskript des neuen Romans ihres Ex-Mannes Edward (Jake Gyllenhall) zugeschickt, das den Titel „Nocturnal Animals“ trägt und ihr gewidmet ist. Susan, Tochter sehr republikanischer, rassistischer und statusbedachter Eltern, hatte sich als Kunststudentin gegen den ausdrücklichen Rat ihrer Eltern mit dem sensiblen Autoren verheiratet, ihn vor zwanzig Jahren aber verlassen, um ihn gegen ein ehrgeizigeres Männer-Exemplar einzutauschen, das eher ihre Ansprüche nach Struktur, Wohlstand und Anerkennung befriedigen konnte. Als sich Susan allein in ihrem luxuriösen Designer-Haus mit dem Buch zurückzieht, wird sie von der Geschichte sofort gefesselt und auf verstörende Weise an ihre Beziehung mit Edward erinnert.
Die Geschichte handelt davon, wie Tony Hastings (ebenfalls Jake Gyllenhaal) mit seiner Frau Laura (Isla Fisher) und Tochter India (Ellie Bamber) nachts auf dem Highway in seinem Mercedes von drei sadistischen jungen Männern drangsaliert und schließlich nach mehreren Karambolagen auf den Straßenrand abgedrängt wird. Der Anführer der Rowdies, Ray Marcus (Aaron Taylor-Johnson), entführt die beiden Frauen, Tony wird in der Wüste ausgesetzt. Am nächsten Morgen versucht Tony mit dem örtlichen Sheriff Bobby Andes (Michael Shannon), die Frauen wiederzufinden …
Bereits die in Zeitlupe inszenierte Eröffnungssequenz, in der stark übergewichtige Frauen nackt und ausgelassen ihre individuellen Tänzchen vorführen, sorgt für emotionales Unbehagen. Das setzt sich in den nächsten Szenen nahtlos fort, wenn der Zuschauer zunächst erfährt, dass die 3XL-Models Teil von Susans neuem Kunstprojekt sind, und dann in das festungsartig gesicherte Luxusdomizil der Galeristin und ihres ambitionierten Ehemanns geführt wird, wo sich die klaren Linien der Architektur und der sündhaft teuren Inneneinrichtung in dem unterkühlten Verhältnis zwischen den Eheleuten widerspiegeln.
Und schließlich wird nicht nur Susan, sondern auch das Publikum in den Sog von Edwards brutaler Rape-&-Revenge-Geschichte in den Bann gezogen, die vor allem Susan die Augen öffnet, dass sie in der Vergangenheit vielleicht die falschen Entscheidungen getroffen hat.
So krass die Unterschiede in der Inszenierung der exklusiven wie keimfreien und gefühllosen Erfolgsgeschichte auf der einen Seite und der sehr physischen, staubigen, blutigen und emotional aufwühlenden Krimi-Drama-Story auf der fiktiven Ebene sind, so vielgestaltig stellen sich auch die Frauen- und vor allem Männerrollen in den beiden Erzählebenen dar, die sich immer wieder einander durch Flashbacks überlagern.
Während Susan als Studentin noch versucht hatte, sich emotional und auch im Handeln von den restriktiven Vorstellungen ihrer Eltern zu lösen, und sich zunächst für ein Leben mit einem sensiblen, aber gar nicht ehrgeizigen Romantiker entschied, ist sie später zu der berechnenden und ehrgeizigen Frau geworden, die sie eigentlich nie sein wollte. Auf der anderen Seite verkörpert Jake Gyllenhaal in seinen beiden Rollen einen emotional eher anfälligen, gefühlvollen Mann, dessen Schwäche aber fatale Konsequenzen hat. Wie sich am Ende die fiktive Geschichte des Romans auf das Leben von Susan auswirkt, wird im Finale zwar etwas vorhersehbar inszeniert, aber alles in allem bietet „Nocturnal Animals“ ausgeklügelte Bildkompositionen, eine vertrackte, auf mehreren Ebenen verstörende Geschichte und grandiose Darsteller, von denen Aaron Taylor-Johnson („Godzilla“, „Savages“) als sadistischer Redneck mit einem Golden Globe als Bester Nebendarsteller geehrt wurde und Michael Shannon („Take Shelter“, „Broadwalk Empire“) als Sheriff in der gleichen Kategorie eine Oscar-Nominierung erhielt. 
"Nocturnal Animals" in der IMDb

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