Paterson

Kaum jemand versteht das Leben einfacher Menschen so lakonisch, eindringlich und empathisch in seinen Filmen zu beschreiben wie der amerikanische Kult-Indie-Filmemacher Jim Jarmusch („Down By Law“, „Broken Flowers“). Nach seinem eigenwilligen Ausflug ins Vampirfilm-Genre mit „Only Lovers Left Alive“ kehrt der verehrte Autorenfilmer mit „Paterson“ in vertrautes Terrain zurück und präsentiert das einfühlsam-poetische Portrait eines einfachen Busfahrers, der in seiner Freizeit vor allem Gedichte in sein Notizbuch schreibt.
Paterson ist nicht nur die Heimatstadt des Dichters William Carlos Williams, sondern auch der Name eines Busfahrers (Adam Driver), der in der besagten Kleinstadt mit seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) in einem kleinen Haus lebt und ohne Wecker täglich fast genau um 6.15 Uhr aufwacht, seiner Frau einen Kuss gibt, seine Cheerios verspeist und schließlich mit seinem Mittagssnack im Köfferchen zum nahegelegenen Busdepot spaziert. Dort schreibt er noch ein paar Zeilen in sein Gedichtbuch, bis er von einem Kollegen gefragt wird, ob er bereit sei, dann fährt er routiniert jeden Tag seine Route durch die Stadt, schnappt ein paar Gespräche seiner Fahrgäste auf und verbringt seine Mittagspause am wunderschönen Wasserfall, wo er wiederum an seinen Gedichten schreibt. Nach getaner Arbeit lässt sich Paterson von seiner künstlerisch begabten Frau in ihre neuen Projekte einweihen, geht mit seinem Hund Marvin spazieren und kehrt auf genau ein Bier in seine Stammkneipe ein, bevor er sich wieder an seine Verse setzt, von denen er doch bitte, so drängt Laura, wenigstens eine Kopie anfertigen möge …
Der Name „Paterson“ wirkt wie ein einfaches Mantra, das das neue Werk von Jim Jarmusch mit Bedeutung füllt. Der Zuschauer fühlt sich ein wenig an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert, wenn die acht dokumentierten Tage jeweils damit beginnen, wie Paterson von allein morgens aufwacht, zwischen 6.15 und 6.30 Uhr auf seine Armbanduhr blickt und dann seine Alltagsroutine beginnt, in die eigentlich nur die Busfahrgäste, seine immer mit neuen leidenschaftlich vorgetragenen Ideen gesegnete Laura und die Bekanntschaften in der Bar etwas Abwechslung bringen.
Was „Paterson“ trotz dieser spannungsarmen und vorhersehbaren Handlung aber so sehenswert macht, ist die außergewöhnliche Energie, mit der der ruhige, freundliche Paterson seine Gedichte verfasst und dabei selbst so alltäglichen Dingen wie den Streichhölzern von Ohio Blue Tip eine ganz besondere Bedeutung beimisst. Schließlich könnte es das Streichholz sein, mit dem er erstmals die Zigarette der Frau anzündet, die er liebt! Jarmusch verstärkt die Bedeutung der dichterischen Qualität seines Protagonisten dabei auf vielfältige Weise, durch die Wiederholung der ersten Zeilen eines neuen Gedichts, durch die simultane Darstellung in Schreibschrift über den Bildern, während Paterson seine Zeilen langsam vorträgt, aber auch durch den Zuspruch der leidenschaftlichen Laura und verschiedenen Begegnungen Patersons mit anderen DichterInnen.
So entsteht ein einfühlsamer Film, der jenseits eingefahrener und wenig spannender Alltagsroutinen aufzeigt, welche Talente selbst hinter so unscheinbaren Figuren wie zurückhaltenden Busfahrern stecken und wie wertvoll und bedeutsam deshalb jedes Leben sein kann.
Der typisch lakonisch-humorvolle Jarmusch-Touch kommt in „Paterson“ immer wieder zum Vorschein und sorgt zusammen mit den unaufgeregten Darstellern, der hypnotischen Musik und den schnörkellosen Bildern von Kameramann Frederick Elmes („Blue Velvet“, „Broken Flowers“) für ein besonderes Filmerlebnis. 
"Paterson" in der IMDb

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